Die Jury
verbannen.«
»Klingt ganz so, als hätten Sie entsprechende Ideen.«
»Nein. Ich weiß nur, was Sie denken.«
»Woher wollen Sie wissen, was ich denke? Warum glauben Sie, so unwiderstehlich zu sein, daß ich Sie verführen möchte?«
»Halten Sie nur Ihre Hände unter Kontrolle. Ich bin ein glücklich verheirateter Mann, dessen Frau zu einer Mörderin werden könnte, wenn sie herausfände, daß er sie betrügt.«
»Na schön. Wir sind also nur Freunde. Zwei Freunde, zu einem gemeinsamen Abendessen unterwegs.«
»Hier im Süden klappt so etwas nicht. Ein Mann kann nicht mit einer Freundin essen, wenn er einen Ehering trägt. Das ist hier ausgeschlossen.«
»Warum?«
»Weil Männer keine Freundinnen haben. Unmöglich. Ich kenne keinen einzigen verheirateten Mann in den Südstaaten, der eine Freundin hat. Ich vermute, das läßt sich bis auf den Sezessionskrieg zurückführen.«
»Ich vermute, es handelt sich um ein Überbleibsel aus dem finstersten Mittelalter. Warum sind die Frauen in den Südstaaten so eifersüchtig?«
»Weil wir sie dazu erzogen haben. Sie lernten von uns. Wenn meine Frau mit einem Freund essen ginge, würde ich den Kerl umbringen und anschließend die Scheidung einreichen. Dieses Verhaltensmuster hat sich auf Carla übertragen.«
»Das ist doch absurd.«
»Da haben Sie völlig recht.«
»Ihre Frau hat keine Freunde?«
»Ich weiß von keinen. Falls doch welche existieren sollten und Sie davon erfahren, so geben Sie mir bitte Bescheid.«
»Und Sie haben keine Freundinnen?«
»Warum sollte ich mir eine Freundin wünschen? Sie reden nicht über Football, Entenjagd, Politik, Prozesse oder andere Themen, die mich interessieren. Sie sprechen über Kinder, Mode, Rezepte, Gutscheine, Möbel und andere Dinge, die mir völlig gleichgültig sind. Nein, ich habe keine Freundinnen. Ich lege keinen Wert darauf.«
»Das gefällt mir so sehr an den Südstaaten – die Toleranz der Einheimischen.«
»Danke.«
»Was ist mit jüdischen Freunden?«
»Ich kenne keine Juden in Ford County. Während meines Studiums war ich mit einem befreundet. Er hieß Ira Trauber und kam aus New Jersey. Wir standen uns sehr nahe. Ich mag Juden. Jesus war Jude. Den Antisemitismus habe ich nie verstanden.«
»Mein Gott, Sie sind ein echter Liberaler. Wie sieht's mit Homosexuellen aus?«
»Sie tun mir leid. Die Burschen wissen nicht, was ihnen entgeht. Aber das ist ihr Problem.«
»Könnten Sie sich einen homosexuellen Freund vorstellen?«
»Ja. Solange er mir nicht verrät, daß er schwul ist.«
»Was bedeutet, daß Sie kein Liberaler sind, sondern Republikaner.«
Ellen nahm Jakes leere Bierdose, warf sie auf den Rücksitz und öffnete zwei weitere. Inzwischen war die Sonne untergegangen, und bei hundertvierzig Stundenkilometern fühlte sich die schwüle Luft kühl an.
»Eine Freundschaft zwischen uns kommt also nicht in Frage.«
»Nein.«
»Ebensowenig eine sexuelle Beziehung.«
»Bitte. Ich muß mich aufs Fahren konzentrieren.«
»Was sind wir dann?«
»Ich bin der Rechtsanwalt, und Sie sind meine Assistentin. Ich bin der Chef, und Sie sind die Angestellte. Ich bin der Boß, und Sie sind der Laufbursche.«
»Sie sind der Mann, und ich bin die Frau.«
Jake bewunderte Ellens Jeans und ihr weites Hemd. »Das ist offensichtlich.«
Sie schüttelte den Kopf und starrte zu den vorbeihuschenden Sträuchern und Bäumen. Jake lächelte, fuhr schneller und nippte an seinem Bier. Es herrschte kaum Verkehr, und mit hoher Geschwindigkeit steuerte er den Saab über einige Kreuzungen.
Plötzlich verschwanden die Hügel, und das Land wurde flach. »Wie heißt das Restaurant?« fragte Ellen.
»Hollywood.«
»Was?«
»Hollywood.«
»Warum trägt es ausgerechnet diesen Namen?«
»Weil es sich einst in dem Ort Hollywood, Mississippi, befand. Doch es brannte ab, und der Inhaber zog damit nach Robinsonville um. Am Namen änderte er nichts.«
»Was ist so großartig daran?«
»Großartiges Essen, großartige Musik und eine großartige Atmosphäre. Außerdem verirrt sich kaum jemand aus Clanton ins Hollywood. Was bedeutet: Ich kann dort mit einer hübschen jungen Frau essen, ohne daß sich die Leute das Maul zerreißen.«
»Ich bin keine Frau, sondern ein Laufbursche.«
»Wohl eher ein Laufmädchen. Und ein sehr attraktives.« Ellen lächelte und strich sich durchs Haar. An einer weiteren Kreuzung bog Jake nach links ab und setzte die Fahrt in Richtung Westen fort, bis sie eine Siedlung unweit der Eisenbahn
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