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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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schließlich einen Job im Gericht an. Er entwickelte eine Abneigung gegen harte Arbeit. Nach einigen Jahren erkrankte seine Frau, und daraufhin verloren sie ihr kleines, bescheidenes Haus. Derzeit war er als Verkäufer in einem Einzelhandelsgeschäft tätig.
    Jake wußte etwas über Gerald Ault, das allen anderen unbekannt war. Während seiner Kindheit hatte die Familie in Pennsylvania gelebt. Eines Nachts geriet das Bauernhaus unweit des Highways in Brand. Ein Autofahrer hielt an, trat die Tür ein und rettete die Aults. Das Feuer griff rasch um sich: als Gerald und sein Bruder im ersten Stock erwachten, saßen sie in ihrem Raum fest. Vom Fenster aus riefen sie um Hilfe. Die Eltern und Geschwister standen unten auf dem Rasen und waren hilflos. Flammen leckten aus allen Fenstern und sparten nur das Kinderzimmer aus. Der Autofahrer griff nach dem Wasserschlauch im Garten, bespritzte sich, stürmte in das brennende Haus, taumelte durch den dichten Qualm, erreichte die Kammer und zertrümmerte dort die Fensterscheibe. Er packte Gerald und seinen Bruder und sprang mit ihnen hinunter. Wie durch ein Wunder wurde niemand von ihnen verletzt. Die Aults weinten und umarmten den Retter. Sie dankten dem Fremden, einem Schwarzen. Er war der erste Neger, den die Kinder je gesehen hatten.
    Gerald Ault gehörte zu den wenigen Weißen in Ford County, die Schwarze mochten. Jake schrieb eine Zehn neben seinen Namen.
    Sechs Stunden lang ging er die Geschworenenliste durch, notierte Anmerkungen auf den Karteikarten, konzentrierte sich auf jeden Namen, stellte sich die einzelnen Jurymitglieder vor und sprach sogar mit ihnen. Er schätzte sie ein. Jeder Schwarze bekam automatisch eine Zehn, doch bei den Weißen war es nicht so einfach. Männer erhielten eine bessere Beurteilungsziffer als Frauen, und er zog jüngere Männer älteren vor. Einer guten Bildung gab er ebenso Pluspunkte wie liberalen Ansichten.
    Jake strich die Namen der zwanzig Geschworenen, die Noose von ihren Pflichten entbinden wollte. Er wußte etwas über hundertelf Vorgeladene, und dadurch glaubte er sich Buckley gegenüber im Vorteil.
    Ellen tippte, als Jake von Lucien zurückkehrte. Sie wandte sich von der Schreibmaschine ab, schloß einige Rechtsbücher und sah auf.
    »Wo haben Sie das Abendessen geplant?« fragte sie und lächelte verschmitzt.
    »Was halten Sie von einem kleinen Ausflug?«
    »Meinetwegen. Aber wohin?«
    »Sind Sie jemals in Robinsonville, Mississippi, gewesen?«
    »Nein, aber ich bin vorbereitet. Was gibt's dort?«
    »Nur Baumwolle, Sojabohnen und ein großartiges Restaurant.«
    »Und die Kleidung?«
    Jake musterte seine Assistentin. Wie üblich trug sie ausgewaschene Jeans ohne Socken und ein marineblaues Hemd, das vier Nummern zu groß zu sein schien, jedoch nicht über der Hose hing.
    »Sie sehen gut aus«, sagte er.
    Sie schalteten den Fotokopierer und das Licht aus und verließen Clanton im Saab. Im Schwarzenviertel der Stadt hielt Jake an einem Spirituosenladen und kaufte einen Sechserpack Coors sowie eine große, kühle Flasche Chablis.
    »Die Getränke muß man selbst mitbringen«, erklärte er, als Clanton hinter ihnen zurückblieb. Die Sonne neigte sich vor ihnen dem Horizont entgegen, und Jake klappte die Blenden herunter.
    Ellen schlüpfte in die Rolle des Barkeepers und öffnete zwei Dosen.
    »Wie lange müssen wir fahren?« fragte sie.
    »Anderthalb Stunden.«
    »Anderthalb Stunden! Ich bin halb verhungert.«
    »Begnügen Sie sich zunächst mit dem Bier. Das Essen verdient ein wenig Geduld.«
    »Was steht auf der Speisekarte?«
    »Gegrilltes; sautierte Garnelen, Froschschenkel und gebratener Seewolf.«
    Ellen trank einen Schluck. »Warten wir's ab.«
    Jake trat aufs Gas, und sie rasten über zahllose Brücken; das Wasser darunter floß in den Lake Chatullah. Die von dichten grünen Sträuchern gesäumte Straße führte an steilen Hügeln empor. Brigance lenkte den Wagen durch scharfe Kurven und überholte die letzten Papierholz-Laster dieses Tages. Nach einer Weile öffnete er das Schiebedach, kurbelte die Fenster herunter und genoß den Wind. Ellen lehnte sich zurück und schloß die Augen. Das lange, wellige Haar umwehte ihr Gesicht.
    »Hören Sie, Row Ark: Das Essen ist rein beruflicher Natur...«
    »Natürlich, völlig klar.«
    »Im Ernst. Ich bin der Chef, und Sie sind die Angestellte. Uns steht ein Arbeitsessen bevor und sonst nichts. Deshalb bitte ich Sie, alle lüsternen Gedanken aus Ihrem sexuell befreiten Kopf zu

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