Die Jury
Harry Rex. »Die schlimmsten denkbaren Geschworenen. Weiße Frauen!« Ellen starrte ihn an. »Ich halte dicke weiße Männer für die schlimmsten denkbaren Geschworenen.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Row Ark. Ich liebe weiße Frauen. Ich habe vier von ihnen geheiratet. Aber ich hasse weiße Frauen, wenn sie auf der Geschworenenbank sitzen.«
»Ich würde Carl Lee Hailey nicht für schuldig befinden.«
»Sie sind eine verkappte Revolutionärin, Row Ark. Sie würden niemanden für schuldig befinden. In Ihrer emanzipierten Naivität halten Sie Kinderpornographen und PLO-Terroristen für nette Leute, die dem System zum Opfer fielen und Mitgefühl verdienen.«
»Da Sie soviel rationaler, zivilisierter und vernünftiger sind... Wie würden Sie mit solchen Leuten verfahren?«
»Man sollte sie an den Zehen aufhängen, sie kastrieren und langsam verbluten lassen – ohne vorher Zeit mit einem Prozeß zu verschwenden.«
»Und nach Ihrer juristischen Meinung wäre das mit der Verfassung vereinbar?«
»Vielleicht nicht. Aber wenn solche Maßnahmen eingeführt würden, gäbe es weitaus weniger Kinderpornographie und Terrorismus. Möchten Sie nichts essen, Jake?«
»Nein.«
Harry Rex wickelte ein Brötchen mit Schinken und Käse aus. »Die erste Geschworene, Carlene Malone, müssen Sie unbedingt ablehnen. Sie gehört zu den Malones von Lake Village. Weißes Pack. Hinterhältig und durchtrieben.«
»Wenn's nach mir ginge, würde ich alle ablehnen.« Jake blickte noch immer auf den Tisch.
»Eine verdammt üble Sache.«
»Was halten Sie davon, Row Ark?« fragte Brigance.
Harry Rex schluckte rasch. »Ich finde, wir sollten auf schuldig plädieren und so rasch wie möglich von hier verschwinden. Wegrennen wie ein getretener Hund.«
Ellen betrachtete die Karteikarten. »Es könnte schlimmer sein.«
Harry Rex lachte humorlos. »Schlimmer! Es wäre nur dann schlimmer, wenn auf den ersten drei Sitzbänken Gestalten in weißen Kutten und mit weißen Kapuzen säßen.«
»Bitte seien Sie still, Harry Rex«, sagte Jake.
»Wollte nur helfen. Was ist mit den Pommes frites?«
»Sie gehören Ihnen. Stopfen Sie sich alle in den Mund und kauen Sie besonders lange.«
»Ich glaube, wir begegnen einigen dieser Frauen mit der falschen Einstellung«, überlegte Ellen laut. »Ich bin geneigt, Lucien zuzustimmen. Im allgemeinen haben Frauen mehr Verständnis. Schließlich werden wir vergewaltigt.«
»Dazu gebe ich keinen Kommentar ab«, proklamierte Harry Rex.
»Danke«, entgegnete Jake. »Welche Dame ist Ihre frühere Klientin, die angeblich sofort bereit wäre, Ihnen einen Gefallen zu erweisen?«
Ellen kicherte. »Vermutlich Nummer siebenundzwanzig. Eins fünfundfünfzig groß und zweihundert Kilo schwer.«
Harry Rex wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab. »Sehr komisch. Nummer vierundsiebzig. Sie steht viel zu weit unten auf der Liste und nützt uns nichts.«
Um zwei klopfte Noose mit dem Hammer und leitete die nächste Phase der Verhandlung ein.
»Die Staatsanwaltschaft beginnt nun mit der Vernehmung der Geschworenen«, sagte er.
Rufus Buckley, Bezirksstaatsanwalt und Angeber, stand langsam auf und stolzierte nach vorn. Nach einigen Schritten blieb er stehen und richtete einen nachdenklichen Blick auf Zuschauer und Geschworene. Er hörte das leise Kratzen der Zeichenstifte, und einige Sekunden lang schien er zu posieren. Dann wandte er sich an die potentiellen Jurymitglieder, schenkte ihnen ein herzliches Lächeln und stellte sich als Anwalt des Volkes vor. Sein Klient sei der Staat Mississippi; er vertrete ihn nun schon seit neun Jahren und sei den anständigen Bürgern von Ford County sehr dankbar dafür.
Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete er auf die Männer und Frauen: »Sie haben mir bei den Wahlen Ihre Stimme gegeben, damit ich Sie vertrete; ich danke Ihnen dafür und hoffe, Sie nicht zu enttäuschen.«
Ja, er sei nervös und fürchte sich. Tausende von Verbrechern habe er vor Gericht schon angeklagt, doch jeder Prozeß jage ihm Angst ein. Jawohl, Angst! Er schäme sich nicht, die Furcht einzugestehen. Die große Verantwortungsbürde laste schwer auf seinen Schultern; immerhin erwarte man von ihm, daß er Kriminelle ins Gefängnis schicke, das Volk vor ihnen schütze. Er fürchte sich davor, zu versagen und seine Klienten – die Bürger von Mississippi – nicht richtig zu vertreten.
Jake hatte diesen Unsinn schon oft gehört und kannte ihn auswendig. Buckley, der Gute und Aufrechte, der Anwalt
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