Die Jury
würde ich gern. Am liebsten möchte ich sofort den Gerichtssaal aufsuchen, dort meinen Aktenkoffer beiseite stellen, alle juristischen Waffen niederlegen und kapitulieren. Aber wem gegenüber? Der Feind ist unsichtbar.«
»Sie können nicht aufhören, Jake. Ihr Klient braucht Sie.«
»Zum Teufel mit meinem Klienten. Er hat heute versucht, mich zu feuern.«
»Er braucht Sie. Es ist noch nicht vorbei. Der Prozeß endet erst mit dem Urteil.«
Nesbits Kopf hing halb aus dem Fenster, Speichel tropfte ihm von der linken Kinnseite, rann an der Tür des Streifenwagens entlang und bildete eine kleine Pfütze im »O« der »Police«Aufschrift. Eine leere Bierdose lag auf dem Schoß des Deputys. Nach zwei Wochen als Leibwächter hatte er sich daran gewöhnt, mit Moskitos im Auto zu schlafen, während er den Anwalt des Niggers beschützte.
Kurz nach Mitternacht riß ihn das Funkgerät aus dem Schlaf. Nesbit griff nach dem Mikrofon, während er sich mit dem linken Ärmel das Kinn abwischte.
»S-O-8«, meldete er sich.
»Wie ist Ihr 10-20?«
»Der gleiche Ort wie vor zwei Stunden.«
»Das Wilbanks-Haus?«
»10-4.«
»Befindet sich Brigance nach wie vor dort?«
»10-4.«
»Bringen Sie ihn zu seinem Haus an der Adams Street. Es handelt sich um einen Notfall.«
Nesbit ging an den leeren Flaschen auf der Veranda vorbei, öffnete die unverschlossene Tür und fand den schnarchenden Jake im ersten Zimmer.
»Wachen Sie auf! Sie müssen nach Hause! Ein Notfall!« Jake war sofort hellwach und folgte dem Deputy. Auf der Treppe verharrten sie kurz und blickten übers Gerichtsgebäude hinweg. In der Ferne zeigte sich orangefarbenes Glühen, und darüber wuchs eine Rauchsäule dem Halbmond entgegen.
In der Adams Street standen Dutzende von Fahrzeugen – meistens Pickups –, die Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr gehörten. An jedem Fahrzeug leuchteten rote oder gelbe Warnlichter, blinkten in einem stummen Chor, blitzten durch die Nacht und erhellten die Straße.
Die Feuerwehrwagen parkten kreuz und quer vor dem Haus. Männer in Schutzkleidung rollten Schläuche aus und versuchten, einen organisierten Eindruck zu erwecken. Gelegentlich reagierten sie auf die Befehle eines Vorgesetzten. Ozzie, Prather und Hastings warteten neben einem Generator. Mehrere Nationalgardisten lehnten an einem Jeep.
Das Feuer loderte hell. Flammen leckten aus allen Fenstern, im Erdgeschoß ebenso wie im oberen Stockwerk. Die verheerende Glut hatte auch den Abstellplatz erfaßt, und Carlas Cutlass brannte innen und außen; von den vier Reifen ging ein etwas dunkleres Glühen aus. Daneben stand ein kleinerer Wagen, den Jake nicht kannte.
Das laute Prasseln und Knacken, das Brummen der Motoren und die lauten Stimmen lockten Nachbarn aus verschiedenen Blocks an. Sie formierten sich auf der anderen Straßenseite und beobachteten das Geschehen.
Jake und Nesbit liefen über den Bürgersteig. Der Feuerwehrchef bemerkte sie und lief ihnen entgegen.
»Jake! Ist jemand im Haus?«
»Nein!«
»Gut. Das dachte ich mir schon.«
»Nur ein Hund.«
»Ein Hund!«
Jake nickte und sah zum Gebäude.
»Es tut mir leid«, murmelte der Feuerwehrchef. Sie gingen zu Ozzies Streifenwagen vor Mrs. Pickles Haus. Jake beantwortete Fragen.
»Das ist doch nicht Ihr Volkswagen neben dem Cutlass, oder?« Brigance starrte schockiert zu dem Haus hinüber, auf das Carla so stolz gewesen war. Er schüttelte den Kopf.
»Dachte ich mir. Allem Anschein nach brach das Feuer an jener Stelle aus.«
»Ich verstehe nicht«, murmelte Jake.
»Wenn es nicht Ihr Wagen ist, dann hat ihn jemand dort geparkt. Sehen Sie, wie der Boden des Abstellplatzes brennt? Normalerweise gerät Beton nicht in Brand. Die Erklärung heißt Benzin. Jemand hat den VW hierhergefahren und ihn mit Benzin präpariert. Dann ist der Unbekannte fortgerannt und hat aus sicherer Entfernung eine kleine Sprengkapsel gezündet, die das Feuer entfachte.«
Prather und zwei Feuerwehrmänner nickten.
»Seit wann steht mein Haus in Flammen?« fragte Jake.
»Als wir vor zehn Minuten hierherkamen, brannte schon der größte Teil des Gebäudes«, erklärte der Feuerwehrchef. »Ich schätze, es ging vor einer halben Stunde los. Ein gutes Feuer – es wurde von jemandem gelegt, der sein Handwerk versteht.«
»Wir können nichts mehr in Sicherheit bringen, oder?« Jake kannte die Antwort bereits.
»Nein, unmöglich. Es ist zu gefährlich. Ich würde meine Leute nur dann hineinschicken, wenn Menschenleben auf dem Spiel
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