Die Jury
zugelassen. Momentan drohte sie damit, den hausinternen Sicherheitsdienst zu verständigen, wenn die beiden Eindringlinge nicht sofort das Hospital verließen. Harry Rex erwiderte, er schere sich nicht um die Besuchszeit oder andere idiotische Regeln im Krankenhaus. Er bezeichnete sich als Ellens Verlobter und fügte hinzu, er wolle sie noch einmal sehen, bevor sie starb. Außerdem kündigte er an, daß er die Schwester wegen Belästigung verklagen würde, wenn sie nicht endlich die Klappe hielte. Er sei Anwalt, habe seit einer Woche niemanden mehr verklagt und werde langsam nervös.
»Was geht hier vor?« fragte Sheldon.
Jake musterte den kleinen Mann mit dem roten Haar und den grünen Augen. »Ich nehme an, Sie sind Sheldon Roark.«
»Ja«.
»Ich bin Jake Brigance. Vielleicht haben Sie von mir...«
»Ja, ich kenne Sie aus der Zeitung. Schon gut, Schwester. Sie gehören zur Familie.«
»Ja«, bestätigte Harry Rex. »Wir gehören zur Familie. Und wenn Sie uns jetzt nicht in Ruhe lassen, bringe ich Sie vor Gericht.«
Die Krankenschwester schwor, den Sicherheitsdienst zu alarmieren, als sie durch den Flur davonrauschte.
»Ich bin Harry Rex Vonner«, stellte sich der Scheidungsanwalt vor und schüttelte Ellens Vater die Hand.
»Kommen Sie herein«, sagte Sheldon. Sie folgten ihm ins Zimmer und starrten auf die schlafende junge Frau hinab. »Wie geht es ihr?« fragte Jake.
»Sie leidet an einer leichten Gehirnerschütterung, hat achtundzwanzig Stiche am Ohr und elf am Kopf. Aber sie erholt sich gut. Die Ärzte meinten, sie könnte vielleicht bis zum Mittwoch entlassen werden. Gestern nacht kam sie zu sich, und wir haben lange miteinander gesprochen.«
»Das Haar sieht schrecklich aus«, meinte Harry Rex. »Ellen erzählte mir, man hätte es ihr mit einem stumpfen Messer abgeschnitten. Ein Klanmitglied riß ihr die Kleidung vom Leib und holte eine Peitsche hervor, um sie damit zu schlagen. Die Kopfverletzungen hat sie sich selbst zugefügt. Ellen fürchtete, erst vergewaltigt und dann umgebracht zu werden; deshalb stieß sie ihren Kopf immer wieder gegen den Holzpfahl, an den man sie gefesselt hatte. Vielleicht ist das der Grund, warum sich die Männer darauf beschränkten, ihr nur einen Schrecken einzujagen.«
»Ihre Tochter wurde also nicht geschlagen?«
»Nein. Es war nur eine Warnung.«
»Was hat Ellen gesehen?«
»Nicht viel. Ein brennendes Kreuz, weiße Kutten. Etwa zwölf Männer. Der Sheriff meinte, die Sache hätte sich auf einer Lichtung im Wald abgespielt, etwa achtzehn Kilometer von hier. Das Land gehört einer Papierfabrik.«
»Wer fand sie?« fragte Harry Rex.
»Der Sheriff bekam einen anonymen Anruf von jemand, der sich Mickymaus nannte.«
»Oh, ich verstehe. Ein Freund von mir.«
Ellen stöhnte leise und streckte sich.
»Ich schlage vor, wir gehen nach draußen«, flüsterte Sheldon.
»Gibt es hier eine Cafeteria?« erkundigte sich Harry Rex. »Im Krankenhaus bekomme ich immer Appetit.«
»Ja. Lassen Sie uns einen Kaffee trinken.«
Die Cafeteria im Erdgeschoß war leer. Jake und Mr. Roark besorgten sich Kaffee. Harry Rex begann mit drei Gebäckstücken und einem großen Glas Milch.
»Wie ich dem Zeitungsbericht entnahm, läuft der Prozeß nicht besonders gut für Sie«, sagte Sheldon.
»Der betreffende Reporter hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt«, entgegnete Harry Rex mit vollem Mund. »Im Gerichtssaal mußte Jake eine Riesenschlappe einstecken. Und auch das Leben außerhalb des Gerichtssaals ist ziemlich unangenehm für ihn. Wenn man nicht gerade auf ihn schießt oder seine Assistentin entführt, brennt man ihm das Haus ab.«
»Man hat Ihr Haus niedergebrannt?«
Jake nickte. »Gestern nacht. Die Trümmer qualmen noch.«
»Wir haben beobachtet, wie sich das Gebäude in einen Schutthaufen verwandelte. Es dauerte vier Stunden.«
»Tut mir sehr leid, das zu hören. Man hat auch mir damit gedroht, aber ich habe nie etwas Schlimmeres erlebt als zerstochene Reifen. Und ich bin nie zur Zielscheibe geworden.«
»Jemand anderes fing sich die für mich bestimmte Kugel ein«, murmelte Jake.
»Gibt es den Klan auch bei Ihnen in Boston?« fragte Harry Rex.
»Nicht daß ich wüßte.«
»Schade. Er würde Ihre Arbeit als Anwalt wesentlich interessanter und abwechslungsreicher gestalten.«
»Das glaube ich auch. Letzte Woche berichteten die Fernsehnachrichten von den Unruhen vor Ihrem Gericht. Ich habe besonders aufmerksam zugeschaut, da Ellen an dem Fall ja beteiligt ist. Der
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