Die Jury
gestrichen habe.«
Jake stellte die Bierflasche neben den Stuhl auf die Veranda, griff nach einem schmutzigen Glas und pustete Staub fort, bevor er es mit Eis und Jack Daniel's füllte.
»Bitte erklären Sie mir das, Lucien.«
»Bass meinte, das Mädchen sei siebzehn Jahre alt und die Tochter eines angesehenen Richters in Dallas gewesen. Sie verliebten sich, und der Vater erwischte sie, als sie es auf der Couch trieben. Er erstattete Anzeige, und Bass hatte keine Chance. Man warf ihm Vergewaltigung vor, und er bekannte sich schuldig. Aber das Mädchen liebte ihn. Sie trafen sich weiterhin, und schließlich wurde die Kleine schwanger. Bass heiratete sie. Er bekam einen Sohn und der Richter seinen ersten Enkel. Der alte Herr änderte seine Ansicht, und von da an gab das polizeiliche Führungszeugnis keinen Hinweis mehr auf die Verurteilung.« Lucien trank und beobachtete die Lichter auf dem Platz.
»Und die Tochter des Richters?«
»Eine Woche vor dem Ende seines Studiums kamen Bass' Frau – die inzwischen wieder schwanger war – und der kleine Junge bei einem Zugunglück in Fort Worth ums Leben. Daraufhin begann er zu trinken.«
»Und er hat Ihnen nie davon erzählt?«
»Verhören Sie mich nicht. Ich habe doch schon darauf hingewiesen, daß ich nichts wußte. Immerhin hat er zweimal als Sachverständiger für mich ausgesagt. Wenn mir diese Sache bekannt gewesen wäre, hätte ich ihn nie in den Zeugenstand gerufen.«
»Warum hat Bass bisher darüber geschwiegen?«
»Weil er glaubte, daß keine Aufzeichnungen mehr existieren. Vielleicht ist das der Grund. Nun, im Prinzip hat er ja recht. Offiziell gibt es in seiner Vergangenheit keine Vorstrafen. Was jedoch nichts daran ändert, daß ein Prozeß gegen ihn stattfand und mit einer Verurteilung endete.«
Jake setzte das Glas an die Lippen und trank bitteren Whisky. Das Zeug schmeckte furchtbar.
Zehn Minuten lang schwiegen die beiden Männer. Es war dunkel, und die Grillen stimmten ein lautes Konzert an. Sallie trat an die Fliegengittertür heran und fragte Jake, ob er etwas zu essen wünsche. »Danke, nein«, erwiderte er.
»Was geschah heute nachmittag?« fragte Lucien.
»Carl Lee sagte aus, und um vier ging der heutige Verhandlungstag zu Ende. Buckleys Psychiater war noch nicht soweit. Rufus ruft ihn am Montag als Zeugen auf.«
»Und die Aussage Ihres Klienten?«
»Den Umständen entsprechend. Er folgte dem von Bass eingeschlagenen Kurs, aber man konnte die Skepsis der Geschworenen deutlich spüren. Seine Ausführungen klangen wie eingeübt. Ich glaube nicht, daß er viele Pluspunkte bei der Jury sammelte.«
»Und Buckley?«
»Er tobte regelrecht. Eine Stunde lang schrie er Carl Lee an. Hailey gab einige freche Antworten, und daraufhin begann ein langes Wortgefecht, das vermutlich beiden schadete. Ich habe die Gelegenheit genutzt, ihn noch einmal zu befragen, und dabei gelang es mir, ihn etwas besser darzustellen. Zum Schluß wirkte er wie ein armer Kerl, der Mitleid verdiente.«
»Gut.«
»Ja, hervorragend. Aber er wird trotzdem verurteilt, nicht wahr?«
»Das befürchte ich.«
»Nach der heutigen Verhandlung wollte mich Carl Lee feuern. Er meinte, ich hätte den Fall verpatzt, und sprach davon, sich einen anderen Anwalt zu nehmen.«
Lucien schritt zum Ende der Veranda, öffnete den Reißverschluß der Hose, lehnte sich an eine Säule und strullte ins Gebüsch. Er war barfuß und sah wie ein Gammler aus. Sallie brachte ihm einen neuen Drink.
»Wie geht's Row Ark?« fragte er.
»Es heißt, ihr Zustand sei stabil. Ich habe versucht, sie in ihrem Zimmer zu erreichen, doch eine Krankenschwester teilte mir mit, sie könne noch keine Anrufe entgegennehmen. Morgen fahre ich zu ihr.«
»Hoffentlich erholt sie sich bald. Ich finde sie sehr nett.«
»Ich finde sie zu radikal, aber sie hat was auf dem Kasten. Lucien... Ich fühle mich schuldig.«
»Sie trifft keine Schuld. Es ist eine verrückte Welt, Jake. Voller verrückter Leute. Und ich glaube, die Hälfte von ihnen sind jetzt in Ford County.«
»Vor zwei Wochen legte man Dynamit vor mein Schlafzimmerfenster. Die Kluxer erschlugen den Ehemann meiner Sekretärin. Gestern schossen sie auf mich und trafen einen Soldaten. Jetzt entführen sie meine Assistentin, fesseln sie, reißen ihr die Kleidung vom Leib und schneiden ihr das Haar ab. Sie liegt mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Ich frage mich, was der Klan sonst noch plant.«
»Vielleicht sollten Sie das Handtuch werfen.«
»Das
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