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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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zum entscheidenden verbalen Schlag aus:
    »Wollen Sie behaupten, daß Sie am 17. Oktober 1956 in Dallas, Texas, nicht als Tyler Bass wegen eines schweren Verbrechens verurteilt wurden?«
    Buckley schenkte dem Psychiater keine Beachtung, sah zur Jury hinüber und hob dabei die Dokumente.
    »Das ist eine Lüge«, sagte Bass kleinlaut und verunsichert. »Sind Sie sicher, daß es sich um eine Lüge handelt?« fragte Rufus.
    »Ja. Eine gemeine, hinterhältige Lüge.«
    »Können Sie Lügen von der Wahrheit unterscheiden, Dr. Bass?«
    »Und ob ich das kann.«
    Noose rückte seine Brille zurecht und beugte sich vor. Die Geschworenen rührten sich nicht mehr. Die Reporter lauschten gespannt und hielten ihre Stifte bereit. Die Deputys an der Wand standen völlig still und hörten ebenfalls fasziniert zu. Buckley wählte eines der Dokumente und las darin. »Sie behaupten also, daß Sie am 17. Oktober 1956 nicht wegen Vergewaltigung verurteilt wurden?«
    Jake wußte, daß es während einer Krise im Gerichtssaal wichtig war, ein ausdrucksloses Gesicht zu wahren. Den Geschworenen entging nichts, und sie durften auf keinen Fall Bestürzung in den Zügen des Verteidigers erkennen. Jake hatte die Kein-Problem-ich-habe-alles-unter-Kontrolle-Mimik bei vielen Prozessen und unangenehmen Überraschungen beibehalten, doch der Hinweis auf eine Vergewaltigung verbannte seine Selbstsicherheit und Zuversicht. Er erblaßte und mindestens sechs Jurymitglieder bemerkten das.
    Die andere Hälfte der Geschworenen starrte den Zeugen an. »Hat man Sie wegen Vergewaltigung verurteilt, Doktor?« erkundigte sich Buckley nach einer langen Pause.
    Der Psychiater schwieg.
    Noose beugte sich in Richtung Zeugenstand vor. »Bitte beantworten Sie die Frage, Dr. Bass.«
    Der Sachverständige ignorierte den Richter und sah Rufus an.
    »Sie verwechseln mich mit jemandem.«
    Buckley schnaubte abfällig und schlenderte zu Musgrove, der ihm weitere bedeutsam wirkende Papiere reichte. Er öffnete einen großen weißen Umschlag, der mehrere Fotos enthielt. »Nun, Dr. Bass, ich habe hier einige Fotografien, die Sie zeigen und am 11. September 1956 von der Polizei in Dallas angefertigt worden sind. Möchten Sie sich die Aufnahmen ansehen?«
    Keine Antwort.
    Buckley hielt sie dem Zeugen entgegen. »Möchten Sie die Aufnahmen sehen, Dr. Bass? Vielleicht schließen sich dann die Lücken in Ihrem Gedächtnis.«
    Der Psychiater schüttelte langsam den Kopf, senkte ihn dann und starrte auf seine Stiefel.
    »Euer Ehren, die Staatsanwaltschaft legt diese beglaubigten Abzüge als Beweismittel vor und bezieht sich dabei auf Rechtsprechung und Urteil im Verfahren Staat Texas gegen Tyler Bass. Die Dokumente stammen von den zuständigen Behörden in Dallas, Texas, und betreffen einen gewissen Tyler Bass, der sich am 17. Oktober 1956 der Vergewaltigung für schuldig bekannte. Nach den Gesetzen in Texas handelt es sich dabei um ein Schwerverbrechen. Wir können beweisen, daß Tyler Bass und der Zeuge Dr. W. T. Bass ein und dieselbe Person sind.«
    Musgrove wandte sich höflich an Jake und gab ihm Kopien der Unterlagen.
    »Irgendwelche Einwände gegen dieses Beweismaterial?« fragte Noose die Verteidigung.
    Die Situation verlangte eine Entgegnung. Eine emotionale Erklärung, die den Geschworenen das Herz brach, Mitleid für Bass und seinen Patienten in ihnen weckte. Doch die Verfahrensregeln ermöglichten momentan keine solche Ansprache. Und an der Zulässigkeit solcher Beweise konnte überhaupt kein Zweifel bestehen. Jake blieb sitzen, winkte knapp und verzichtete darauf, Einspruch zu erheben.
    »Keine weiteren Fragen«, sagte Buckley.
    »Möchten Sie den Zeugen noch einmal vernehmen, Mr. Brigance?« erkundigte sich Noose.
    Jake überlegte fieberhaft, aber ihm fiel nichts ein. Wie sollte er unter diesen Umständen die Glaubwürdigkeit des Zeugen auch nur teilweise wiederherstellen? Den Geschworenen gegenüber stand der Psychiater jetzt als Lügner und ehemaliger Verbrecher da.
    »Nein«, erwiderte Jake leise.
    »Nun gut. Sie können gehen, Dr. Bass.«
    Der Psychiater eilte durch die Pendeltür und den Mittelgang und floh aus dem Gerichtssaal. Jake sah ihm nach, und sein Gesicht brachte dabei Abscheu zum Ausdruck.
    Es kam nun darauf an, der Jury zu zeigen, wie schockiert der Angeklagte und sein Verteidiger waren – um die Geschworenen davon zu überzeugen, daß Brigance nichts von der damaligen Verurteilung des psychiatrischen Sachverständigen gewußt hatte.
    Als sich die Tür

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