Die Jury
bin ich ziemlich sicher«, erwiderte Jake. Bestimmt zappelte Bullard nervös, wenn er diese Worte hörte.
»Wann versammelt sich das große Geschworenengericht?«
»Die neue Jury wird am kommenden Montag vereidigt. Sie könnte den Fall dann am Montagnachmittag prüfen.«
»Für wann erwarten Sie den Beginn des Prozesses?«
»Falls Anklage erhoben wird, beginnt die Verhandlung im späten Sommer oder frühen Herbst.«
»Vor welchem Gericht?«
»Vor dem Bezirksgericht der Ford County.«
»Welcher Richter leitet das Verfahren?«
»Der Ehrenwerte Omar Noose.«
»Woher kommt er?«
»Aus Chester, Mississippi. Van Buren County.«
»Sie meinen, Mr. Hailey wird hier in Clanton vor Gericht gestellt?«
»Ja. Es sei denn, man vereinbart einen anderen Verhandlungsort.«
»Beabsichtigen Sie einen entsprechenden Antrag?«
»Gute Frage. Allerdings bin ich noch nicht bereit, sie zu beantworten. Ich halte es für verfrüht, Auskunft über die Strategie der Verteidigung zu geben.«
»Aus welchem Grund könnten Sie sich eine Verlegung des Verhandlungsortes wünschen?«
Wenn der Prozeß in einer County mit mehr schwarzen Einwohnern stattfindet, hat Carl Lee weitaus bessere Chancen, dachte Jake. »Die üblichen Gründe«, entgegnete er vorsichtig. »Zuviel Publicity vor dem Verfahren, mangelnde Objektivität, Voreingenommenheit und dergleichen.«
»Wer entscheidet darüber?«
»Richter Noose. Es bleibt seinem Ermessen überlassen.«
»Wurde eine Kaution festgesetzt?«
»Nein. Und damit rechne ich auch nicht, bevor eine formelle Anklage erhoben wurde. Mein Mandant hat schon jetzt das Recht auf eine angemessene Kaution, doch in dieser County hier ist es üblich, mit einem solchen Beschluß bis zur offiziellen Anklageerhebung zu warten. Dann setzt Richter Noose einen Betrag fest.«
»Was können Sie uns über Mr. Hailey erzählen?«
Jake entspannte sich und dachte nach, während die Kameras leise surrten. Jetzt bot sich ihm eine gute Gelegenheit, die Saat des Mitgefühls auszubringen. »Er ist siebenunddreißig und seit zwanzig Jahren mit derselben Frau verheiratet. Vier Kinder: drei Jungen und ein Mädchen. Ein netter Kerl ohne Vorstrafen. Geriet nie zuvor mit dem Gesetz in Konflikt. Bekam eine Medaille in Vietnam. Arbeitet fünfzig Stunden pro Woche in der Papierfabrik von Coleman. Bezahlt pünktlich seine Rechnungen und hat ein wenig Grundbesitz erworben. Geht jeden Sonntag mit der Familie in die Kirche. Kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten und möchte in Ruhe gelassen werden.«
»Gestatten Sie uns, mit ihm zu sprechen?«
»Natürlich nicht.«
»Hat man seinen Bruder vor einigen Jahren wegen Mord angeklagt?«
»Ja. Und er wurde freigesprochen.«
»Sie waren sein Anwalt?«
»Ja.«
»Haben Sie an mehreren Mordprozessen in Ford County teilgenommen?«
»Insgesamt an drei.«
»Wie viele Freisprüche?«
»Drei«, sagte Jake langsam.
»In Mississippi können die Geschworenen zwischen verschiedenen Urteilen wählen, nicht wahr?« fragte die Journalistin aus Memphis.
»In der Tat. Bei einem Mordfall steht es der Jury frei, den Angeklagten des Totschlags oder des vorsätzlichen Mordes schuldig zu sprechen. Die Strafen dafür reichen von zwanzig Jahren bis lebenslänglich oder Hinrichtung in der Gaskammer. Vorausgesetzt natürlich, der Angeklagte wird überhaupt für schuldig befunden.« Jake lächelte in die Kameras. »Und vorausgesetzt, das große Geschworenengericht erhebt Anklage.«
»Wie geht es dem Hailey-Mädchen?«
»Besser. Es ist Sonntag aus dem Krankenhaus entlassen worden und jetzt zu Hause.«
Die Reporter sahen sich stumm an. Jake wußte, daß nun gewisse Gefahren drohten. Wenn den Journalisten nichts mehr einfiel, stellten sie vielleicht Fragen, die ihn in Schwierigkeiten brachten. Er stand auf und knöpfte sein Jackett zu. »Leider habe ich jetzt zu tun. Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung, bitte Sie jedoch darum, Ihren Besuch das nächste Mal vorher anzukündigen, damit ich mehr Zeit für Sie erübrigen kann.«
Die Frau aus Memphis und ihre Kollegen dankten ihm. Jake verließ den Raum.
Um zehn Uhr am Mittwochmorgen begann eine schlichte Beisetzungszeremonie – die Rednecks begruben ihre Toten. Der frisch geweihte Priester suchte verzweifelt nach tröstenden Worten für die kleine Gemeinde. Das Ritual nahm nur wenig Zeit in Anspruch, und es wurden kaum Tränen vergossen.
Die Pickups und schmutzigen Chevrolets folgten langsam dem Leichenwagen, als die Prozession Clanton hinter sich
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