Die Jury
unterteilt: Der Mittelgang trennte die schwarzen und weißen Zuschauer voneinander. Dort standen Uniformierte, ebenso an den Wänden. Ihre besondere Aufmerksamkeit galt einigen angetrunkenen Weißen auf zwei Sitzbänken; zu ihnen gehörten Brüder und Vettern des verstorbenen Billy Ray Cobb. Die Deputys beobachteten sie wachsam. Auf den beiden vorderen Bänken – rechts vor den Schwarzen und links vor den Weißen – saßen zwei Dutzend Reporter. Manche von ihnen schrieben Notizen, andere zeichneten den Angeklagten, seinen Anwalt und nun auch den Richter.
»Sie machen einen Helden aus dem Nigger«, murmelte einer der Rednecks laut genug, damit ihn die Journalisten hören konnten.
Bullard ließ sich auf den Richterstuhl sinken, und ein Deputy schloß die rückwärtige Tür ab.
»Rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf«, sagte Bullard zu Rocky Childers.
»Die Staatsanwaltschaft ruft Sheriff Ozzie Walls in den Zeugenstand.«
Der Sheriff wurde vereidigt und nahm Platz. Er entspannte sich und erzählte eine lange Geschichte, beschrieb die Schießerei, Leichen und Wunden, die Waffe, wies darauf hin, daß die Fingerabdrücke an der Waffe mit denen des Angeklagten identisch seien. Childers legte eine eidesstattliche Erklärung vor, die Officer Looney in der Gegenwart von Ozzie und Moss Junior unterschrieben hatte. Sie identifizierte den Schützen als Carl Lee. Walls bestätigte Looneys Unterschrift und las die Erklärung laut vor.
»Gibt es Augenzeugen, Sheriff?« fragte Childers. Es klang fast gelangweilt.
»Ja. Der Hausmeister Murphy.«
»Wie lautet sein Vorname?«
»Keine Ahnung. Alle nennen ihn nur Murphy.«
»Na schön. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Nein. Aber mein Untersuchungsbeamter hat mit ihm geredet.«
»Wer ist Ihr Untersuchungsbeamter?«
»Officer Rady.«
Rady legte den Eid ab und setzte sich auf den Zeugenstuhl. Mr. Pate besorgte dem Richter noch einen Becher Eiswasser. Jake füllte eine Seite nach der anderen mit Notizen. Er hatte nicht die Absicht, eigene Zeugen aufzurufen oder seinerseits den Sheriff zu vernehmen. Manchmal verfingen sich Belastungszeugen schon während der Voruntersuchung in ihrem Lügengespinst, und dann stellte Jake beim Kreuzverhör Fragen, damit die Widersprüche im Protokoll Niederschlag fanden. Später, wenn die betreffenden Zeugen auch beim Prozeß logen, nutzte er ihre während der Vorverhandlung protokollierten Aussagen, um sie aus dem Konzept zu bringen. Doch heute beschränkte er sich darauf, ruhig zuzuhören.
»Haben Sie mit Murphy gesprochen, Sir?« erkundigte sich Childers.
»Mit welchem Murphy?«
»Ich meine den Hausmeister.«
»Oh. Ja.«
»Gut. Was hat er gesagt?«
»Worüber?«
Childers rollte mit den Augen. Man rief Rady nur selten in den Zeugenstand; Ozzie wollte es ihm ermöglichen, weitere gerichtliche Erfahrungen zu sammeln.
»Über die Schießerei! Bitte schildern Sie uns, was Sie von ihm gehört haben.«
Jake stand auf. »Einspruch, Euer Ehren. Ich weiß, daß Beweise vom Hörensagen bei einer Voruntersuchung zulässig sind, aber Murphy ist durchaus imstande, selbst auszusagen. Er arbeitet hier im Gerichtsgebäude. Warum ruft ihn die Staatsanwaltschaft nicht in den Zeugenstand?«
»Weil er stottert«, erwiderte Bullard.
» Was? «
»Er stottert. Und ich möchte nicht, daß er uns dreißig Minuten lang etwas vorstottert. Einspruch abgelehnt. Fahren Sie fort, Mr. Childers.«
Jake blinzelte fassungslos. Bullard flüsterte Mr. Pate etwas zu, und der Gerichtsdiener ging, um noch mehr Eiswasser zu holen.
»Nun, Mr. Rady, was hat Ihnen Murphy im Hinblick auf die Schießerei berichtet?«
»Er war so aufgeregt, daß ich ihn kaum verstehen konnte. Er stottert, wenn ihn irgend etwas aufregt. Ich meine, er stottert immer, aber...«
»Erzählen Sie uns, was er Ihnen gesagt hat!« donnerte Bullard.
»Na schön. Er sah einen Schwarzen, der auf zwei Weiße und den Deputy schoß.«
»Danke.« Childers seufzte. »Wo befand er sich, als das Verbrechen verübt wurde?«
»Wer?«
»Murphy!«
»Er saß auf der anderen Treppe, und von dort aus konnte er den Tatort ganz deutlich sehen.«
»Er hat alles beobachtet?«
»Das behauptet er.«
»War er imstande, den Schützen zu identifizieren?«
»Ja. Wir haben ihm Fotos von zehn Schwarzen gezeigt, und er identifizierte den Angeklagten dort drüben.«
»Gut. Danke. Das wäre alles, Euer Ehren.«
»Irgendwelche Fragen, Mr. Brigance?« fragte der Richter. Jake erhob sich. »Nein, Sir.«
»Möchten Sie Zeugen
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