Die Jury
der Zeitung. Wenn irgendein bekannter Gauner angeklagt wird, übernimmt er die Verteidigung. Er vertritt Drogenhändler, Politiker und andere hohe Tiere, die etwas ausgefressen haben.«
»Wie heißt er?«
»Er beschäftigt sich nur mit strafrechtlichen Fällen, hauptsächlich Rauschgift, Bestechung und Erpressung. Aber weißt du, womit er sich am liebsten befaßt?«
»Womit?«
»Er liebt Mordfälle. Hat nie einen verloren. Bekommt alle großen in Memphis. Erinnerst du dich an die beiden Nigger, die jemanden von einer Brücke in den Mississippi warfen? Die beiden Typen wurden auf frischer Tat ertappt. Vor etwa fünf Jahren.«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Das Verfahren dauerte zwei Wochen und erregte eine Menge Aufsehen. Meinem Anwalt gelang es, die beiden Schwarzen herauszupauken. Er überzeugte die Geschworenen, und ihr Urteil lautete: nicht schuldig.«
»Ich glaube, ich habe ihn tatsächlich im Fernsehen gesehen.«
»Bestimmt. Hat echt was auf dem Kasten, Carl Lee. Gewinnt immer.«
»Wie lautet sein Name?«
Cat setzte sich wieder und sah seinen Freund an. »Bo Marscharfski.«
Carl Lee nickte langsam und gab vor, sich zu erinnern.
»Und?«
Cat legt ihm fünf Finger mit acht Karat aufs Knie. »Er will dir helfen, Kumpel.«
»Ich habe bereits einen Anwalt, den ich nicht bezahlen kann. Wie soll ich das Geld für einen zweiten aufbringen?«
»Du brauchst überhaupt keinen Zaster, Carl Lee. Dafür bin ich zuständig. Er bezieht ein regelmäßiges Gehalt von mir. Er steht auf meiner Lohnliste. Im letzten Jahr hat er hunderttausend bekommen, um mich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Du bezahlst keinen Cent.«
Carl Lees Interesse an Bo Marscharfski wuchs plötzlich. »Wie hat er von mir erfahren?«
»Er liest die Zeitungen und sieht sich die Nachrichtensendungen an. Du weißt ja, wie Anwälte sind. Gestern besuchte ich ihn in seinem Büro, und er betrachtete dein Bild auf der Titelseite. Ich habe ihm von uns erzählt, und daraufhin rastete er fast aus. Meinte, er wollte unbedingt deinen Fall. Ich versprach ihm, die Lage zu sondieren.«
»Und deshalb bist du hier?«
»Ja, genau. Bo kennt die richtigen Leute, um einen Freispruch für dich durchzusetzen.«
»Wen zum Beispiel?«
»Ärzte und Psychiater und so. Er kennt sie alle.«
»Sie kosten Geld.«
»Ich bezahle dafür, Carl Lee. Keine Sorge! Ich bezahle alles. Du bekommst den besten Anwalt und die besten psychiatrischen Spezialisten, die man kaufen kann. Und dein alter Kumpel Cat begleicht die Rechnung. Geld ist überhaupt kein Problem.«
»Ich habe schon einen guten Anwalt.«
»Wie alt ist er?«
»Etwa dreißig.«
Cat rollte mit den Augen. »Ein Kind, Carl Lee. Hat gerade erst das Studium hinter sich. Marscharfski ist fünfzig und hatte mehr Mordfälle, als dein Knäblein jemals vor Gericht verhandeln wird. Es ist dein Leben, Carl Lee. Vertrau es keinem Grünschnabel an.«
Plötzlich schien Jake viel zu jung zu sein. Andererseits... Er hatte Lester vertreten, und damals war er noch jünger gewesen.
»Hör mal, Carl Lee: Ich habe an vielen Prozessen teilgenommen, und daher weiß ich, wie kompliziert der juristische Kram ist. Ein Fehler, und man verschwindet für immer hinter Gittern. In deinem Fall könnte ein Schnitzer den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Du kannst es dir nicht leisten, darauf zu hoffen, daß dein Junge keinen Unsinn anstellt. Ein Fehler...« Cat unterstrich seine Worte, indem er mit den Fingern schnippte. »Und du endest in der Gaskammer. Marscharfski weiß, worauf es ankommt.«
Carl Lee war innerlich hin- und hergerissen. »Würde er mit meinem Anwalt zusammenarbeiten?« fragte er und suchte nach einem Kompromiß.
»Nein, ausgeschlossen! Bo arbeitet mit niemandem zusammen. Er braucht keine Hilfe. Dein Typ wäre ihm nur im Weg.«
Carl Lee beugte sich vor und blickte zu Boden. Er konnte unmöglich tausend Dollar für einen Arzt aufbringen. Er wußte nicht, warum ein psychiatrisches Gutachten notwendig war – er hatte sich zum Tatzeitpunkt nicht verrückt gefühlt –, aber offenbar spielte es eine entscheidende Rolle vor Gericht. Tausend Dollar für einen billigen Psychiater. Und Cat bot ihm das Beste, das man mit Geld kaufen konnte.
»Mein Anwalt wäre sicher sehr enttäuscht«, murmelte er.
»Sei nicht dumm, Mann«, brummte Cat. »Denk in erster Linie an dich selbst und vergiß den Burschen. Dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt, um auf Gefühle Rücksicht zu nehmen. Vergiß ihn. Er kommt bestimmt darüber
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