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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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zu betreten. Er dachte an die Kameras und Reporter, und in seiner Magengrube krampfte sich etwas zusammen. Er dachte an Lester, seine einzige Hoffnung, den Fall zurückzubekommen.
    »Möchtest du jetzt frühstücken?« fragte Carla.
    »Nein, danke. Ich habe keinen Hunger.«
    »Betrachte die Sache von der positiven Seite», sagte sie. »Wir brauchen keine anonymen Anrufe mehr zu fürchten.«
    »Ich glaube, ich mähe den Rasen.«
17
    D as Priesterkonzil bestand aus schwarzen Predigern und war entstanden, um politische Aktivitäten in der Schwarzengemeinschaft von Ford County zu koordinieren. Meistens traf es sich in unregelmäßigen Abständen, aber wenn Wahlen bevorstanden, fanden wöchentliche Versammlungen statt, jeweils am Sonntagnachmittag. Sie dienten dazu, bestimmte Probleme zu diskutieren und Aufschluß über das Wohlwollen der jeweiligen politischen Kandidaten zu gewinnen. Man traf Vereinbarungen und entwickelte Strategien. Geld wechselte den Besitzer. Das Konzil hatte bereits mehrmals bewiesen, daß es maßgeblichen Einfluß auf das Verhalten der schwarzen Wähler ausübte. Während des Wahlkampfs nahmen Geschenke und Spenden an die Kirchen der Schwarzen enorm zu.
    Bischof Ollie Agee organisierte eine ganz besondere Konzilsversammlung, die am Sonntagnachmittag in seiner Kirche stattfinden sollte. Er beendigte die Predigt früher als sonst, und seine Gemeinde war längst nach Hause zurückgekehrt, als um sechzehn Uhr Cadillacs und Lincolns auf den Parkplatz rollten. Die Zusammenkünfte waren geheim, und Agee hatte nur die Mitglieder des Konzils eingeladen. In der Ford County gab es insgesamt dreiundzwanzig Schwarzenkirchen, und zweiundzwanzig Repräsentanten saßen im Saal, als der Bischof die Konferenz eröffnete. Die Sitzung durfte nicht lange dauern, denn einige Prediger – insbesondere jene von der Christuskirche – mußten bald mit den Abendgottesdiensten beginnen.
    Agee wies seine Zuhörer darauf hin, daß Carl Lee Hailey, ein angesehenes Mitglied der Gemeinde, moralische, politische und finanzielle Hilfe benötige. Er schlug die Einrichtung eines Verteidigungsfonds für die Prozeßkosten vor. Ein zweiter Fonds sollte dazu dienen, die Familie zu unterstützen. Bischof Ollie Agee höchstpersönlich wollte die Spendenaktion leiten, und wie üblich war jeder Prediger für seine eigene Kirche zuständig. Er regte spezielle Kollekten an, mit denen ab nächsten Sonntag während der Morgen- und Abendmessen begonnen werden sollte, und fügte hinzu, er werde nach eigenem Ermessen handeln, um das Geld der Familie zur Verfügung zu stellen. Die Hälfte der Einnahmen war für den Verteidigungsfonds vorgesehen. Der Zeitfaktor spielte eine sehr wichtige Rolle. Es dauerte nur noch einen Monat bis zum Prozeß, und das Geld mußte möglichst schnell gesammelt werden, solange die Leute noch bereit dazu waren, tief in die Tasche zu greifen.
    Das Konzil pflichtete Agee einstimmig bei, und er setzte seinen Vortrag fort.
    Auch die NAACP sollte in Hinsicht auf den Fall Hailey aktiv werden. Als Weißer wäre bestimmt keine Anklage gegen ihn erhoben worden. Nicht in Ford County. Man stellte ihn nur deshalb vor Gericht, weil er Schwarzer war, und darüber mußte die NAACP informiert werden.
    Ihr Vorsitzender wußte bereits Bescheid. Die Niederlassungen in Memphis und Jackson hatten Hilfe in Aussicht gestellt. Pressekonferenzen, Demonstrationen und Protestmärsche waren geplant. Gegen die Geschäfte von Weißen gerichtete Boykotts mochten nützlich sein – eine derzeit sehr populäre Taktik, die erstaunliche Resultate erzielte.
    All diese Maßnahmen mußten sofort eingeleitet werden, solange die Leute zur Mitarbeit und zu großzügigen Spenden bereit waren. Die Prediger stimmten Agee auch hier zu und brachen auf; der Abendgottesdienst wartete auf sie.
    Erschöpfung und Unsicherheit sorgten dafür, daß Jake am Sonntagmorgen im Bett blieb und auf den Kirchenbesuch verzichtete. Carla briet Pfannkuchen, und auf der Terrasse genossen sie ein langes Frühstück mit Hanna. Die erste Seite des zweiten Teils der Memphis Post brachte einen langen Artikel über Marscharfski und seinen neuen Klienten, was Jake zum Anlaß nahm, den Sonntagszeitungen zunächst keine Beachtung zu schenken. Der Fall Hailey stelle seine größte Herausforderung dar, behauptete der berühmte Anwalt. Dabei ginge es um sehr bedeutsame rechtliche und soziale Aspekte. Er kündigte eine völlig neuartige Verteidigung an und rühmte sich damit, in zwölf Jahren

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