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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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passendes Hemd. Carla schlief noch immer irgendwo unter der Decke. Er beschloß, später mit ihr zu reden, griff nach der Zeitung und fuhr zum Büro. An diesem Morgen verzichtete er darauf, im Café zu frühstücken – vermutlich wußten Dell und die Stammgäste schon Bescheid. An Ethels Schreibtisch las er den Artikel zum dritten Mal und starrte auf die Fotos.
    Lucien sprach ihm kaum Trost zu. Er kannte Marscharfski beziehungsweise den »Hai«, wie man ihn nannte – als einen schlauen Burschen, dem es nicht an Finesse mangelte. Lucien bewunderte ihn.
    Moss Junior führte Carl Lee in Ozzies Büro, wo Jake mit der Zeitung auf ihn wartete. Der Deputy verschwand rasch und schloß die Tür. Hailey nahm auf der kleinen schwarzen Vinylcouch Platz.
    Jake warf ihm die Zeitung zu. »Nun?« fragte er scharf. Der Häftling musterte ihn stumm.
    »Warum, Carl Lee?«
    »Das brauche ich Ihnen nicht zu erklären, Jake.«
    »Doch, dazu sind Sie moralisch verpflichtet. Sie hatten nicht den Mut, mich anzurufen und mir Ihre Entscheidung mitzuteilen. Ich mußte sie in der Zeitung lesen. Und jetzt verlange ich eine Erklärung von Ihnen.«
    »Sie wollten zuviel Geld, Jake. Darum geht es Ihnen dauernd. Ich sitze hier im Knast, und Sie meckern über etwas, an dem ich leider nichts ändern kann.«
    »Geld! Sie haben nicht genug, um mich zu bezahlen. Wie wollen Sie die Kohle für Marscharfski auftreiben?«
    »Er bekommt nicht einen einzigen Dollar von mir.«
    » Was?«
    »Sie haben richtig verstanden. Ich bezahle ihn nicht.«
    »Soll das heißen, er vertritt Sie gratis?«
    »Nein. Er erhält sein Honorar von jemand anderem.«
    »Von wem?« zischte Jake.
    Carl Lee schüttelte den Kopf. »Dieser Fall betrifft Sie nicht mehr, Jake.«
    »Der bekannteste Strafverteidiger aus Memphis vertritt Sie, und jemand anders bezahlt ihn?«
    »Ja.«
    Die NAACP, dachte Jake. Nein, diese Organisation hat ihre eigenen Anwälte und würde nicht auf Marscharfski zurückgreifen. Außerdem ist er zu teuer. Wer dann?
    Carl Lee nahm die Zeitung und faltete sie sorgfältig zusammen. Er schä mte sich und wußte gleichzeitig: Jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Er hatte Ozzie gebeten, Jake anzurufen und ihn zu benachrichtigen, doch der Sheriff wollte nichts damit zu tun haben. Es wäre besser gewesen, vorher mit Brigance zu sprechen, doch Carl Lee war nicht dazu imstande, sich nun zu entschuldigen. Wortlos betrachtete er sein Bild auf der Titelseite, überflog den Artikel und lächelte andeutungsweise. »Sie wollen mir nicht sagen, von wem das Geld stammt?« fragte Jake etwas ruhiger.
    »Nein. Das ist meine Angelegenheit.«
    »Haben Sie mit Lester darüber gesprochen?«
    In Carl Lees Augen funkelte es trotzig. »Nein. Er ist nicht angeklagt. Und diese Sache geht ihn ebensowenig etwas an wie Sie.«
    »Wo ist er?«
    »In Chicago. Verabschiedete sich gestern morgen. Und rufen Sie ihn nicht an, Jake. Ich habe eine Entscheidung getroffen, und dabei bleibt es.«
    Das muß sich erst noch herausstellen, dachte Jake. Bestimmt erfährt Lester bald davon. Er öffnete die Tür. »Na schön. Ich bin also gefeuert. Einfach so.«
    Carl Lee blickte auf das Foto und schwieg.
    Carla saß am Frühstückstisch und wartete. Ein Reporter aus Jackson hatte angerufen, sich nach Jake erkundigt und ihr von Marscharfski erzählt.
    Stille herrschte. Jake gab keinen Ton von sich, als er seine Tasse mit Kaffee füllte und auf die rückwärtige Veranda trat. Er trank einen Schluck und beobachtete die vernachlässigten Hecken am Rand des langen und schmalen Hinterhofs. Heller Sonnenschein fiel auf das saftiggrüne Hundszahngras und trocknete den Tau, schuf trüben Dunst, der in trägen Schwaden umherzog und an Jakes Hemd festhaftete. Die Hecken mußte dringend geschnitten, der Rasen gemäht werden. Er streifte die Halbschuhe ab, schritt barfuß durchs Gras und betrachtete ein zerbrochenes Vogelbad neben einer Myrte, dem einzigen größeren Gewächs im Garten.
    Carla folgte ihrem Mann blieb hinter ihm stehen. Er nahm ihre Hand und lächelte. »Alles in Ordnung mit dir?« fragte sie.
    »Ja.«
    »Bist du bei Carl Lee gewesen?«
    »Ja.«
    »Was hat er gesagt?«
    Jake schüttelte den Kopf und antwortete nicht.
    »Es tut mir leid«, murmelte Carla.
    Er nickte und starrte auf das Vogelbad.
    »Es wird andere Fälle für dich geben«, sagte seine Frau ohne große Zuversicht.
    »Ich weiß.« Jake dachte an Buckley und hörte bereits sein Gelächter. Er dachte an die Leute im Café und schwor sich, es nie wieder

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