Die Juweleninsel
auf dem Lande. Die Hauptmacht der Engländer war landeinwärts gerückt, das Heer von Kamooh stand führer-und in Folge dessen thatenlos weit von der Residenz entfernt, und die Begleitung des Flosses hatte also nur die kleinen detachirten Trupps der Feinde zu fürchten, welche zur Erkundigung der Gegend ausgeschickt waren. Furcht aber kannten doch die Männer nicht, deren bluttriefender Glaube es ihnen als das höchste Ziel vorsteckte, als Mörder ergriffen zu werden, um eines qualvollen Todes zu sterben. –Es war am vorhergehenden Morgen, als Alphons Maletti vom Schlafe erwachte. Es hatte ihm geträumt, daß er sich in einer ihn blutig umwogenden Schlacht befinde, unter deren Kanonendonner die Erde erbebte. Noch im Erwachen glaubte er, den dumpfen rollenden Ton der Geschütze zu vernehmen, und sogar als er die Augen bereits geöffnet hatte, hörte er noch das tiefe Grollen einer entfernten Kanonade.
Er erhob sich von seinem Lager und trat zum Fenster. Am westlichen Himmel zuckten die ersten Streifen des Tages, während im Osten die Morgenröthe den Horizont bereits zu färben begann. Er lauschte. Ja, wahrhaftig, das war Kanonendonner. Er kannte denselben zu genau, als daß ein Irrthum möglich gewesen wäre.
Der Schall kam aus der Gegend von Augh. Was gab es dort noch zu kämpfen? Der Maharajah war ja besiegt und todt: drei mächtige Feinde standen mit ihren Heeren im Lande, und es war also gar nicht denkbar, daß die Bevölkerung von Augh nach dem Falle ihres Herrschers es gewagt hätte, diesem dreifachen Gegner noch immer Widerstand zu leisten. Aber Maletti kannte die Politik der Briten, und daher vermuthete er sofort das Richtige: die Engländer hatten sich gegen ihre Verbündeten gewandt, um alleinige Herren des eroberten Landes zu bleiben. Er knirschte mit den Zähnen und murmelte: »Nur einige Monate später! Hätte ich nur drei Monate lang mein Amt verwalten können, so wären diese Krämer so empfangen worden, daß sie das Wiederkommen für immer vergessen hätten. Nun aber ist an keine Rettung mehr zu denken.«
Er hörte draußen halblaute Schritte und öffnete die Thür. Er erkannte das Oberhaupt der Thugs.
»Komm herein!«
»Ich wollte lauschen, ob Dich der Kanonendonner vielleicht aufgeweckt hätte.«
»Er hat es. Man schießt in der Gegend von Augh. Weißt Du etwas Näheres?«
»Es geschieht hier im Lande nichts, wovon ich nicht von meinen Leuten benachrichtigt würde.«
»Wem gilt diese Kanonade?«
»Die Inglis haben wieder einmal ihre Treue gebrochen und greifen das Heer von Symoore an.«
»Sie werden siegen, wenn der Maharajah von Kamooh nicht augenblicklich dem Sultan zu Hilfe eilt.«
»Das wird er nicht thun, Glaube mir, das Gold der Inglis ist noch mächtiger als ihre Waffen. Sie haben doch sogar die Thugs erkaufen wollen, aber der Tod eines einzigen Engländers ist uns kostbarer als ganze Tonnen des schimmernden Metalles.«
Da ließen sich leise Schritte vernehmen, und Rabbadah erschien unter der Thür.
»Ich höre schießen. Was geht vor? Wer liefert diese Schlacht?«
»Die Inglis greifen die Leute von Symoore an,« antwortete der Phansegar.
»Was sagst Du? Sind die Engländer nicht Verbündete des Sultans von Symoore?«
»Sie waren es, aber sie kennen keine Treue und keinen Glauben, sobald es ihr Vortheil erheischt. Sie wollen Augh allein besitzen und haben es sich von dem Sultan erobern lassen, um es ihm sogleich wieder abzunehmen.«
»Wird es Ihnen gelingen?«
»Ja.«
»Aber der Sultan von Symoore ist berühmt als ein großer und tapferer Feldherr.«
»Er ist nicht bei seinem Heere und wird in weniger als zwei Stunden todt sein.«
Die beiden Andern blickten bei dieser Prophezeiung überrascht auf.
»Er wird sterben?« frug die Begum. »Wer sagt es Dir?«
»Ich selbst. Er stirbt gleichzeitig mit dem Maharajah von Kamooh.«
»Mit dem Maharajah? Unmöglich! Und wie wolltest Du das voraus wissen?«
»Weil ich es bin, der ihnen den Tod gibt. Sie sterben von der Hand des Phansegars.«
»Unbegreiflicher Mensch! So willst Du sie also überfallen und tödten lassen?«
»Nein. Sie befinden sich bereits in meinen Händen. Du weißt nicht, wie kühn und mächtig der Phansegar ist. Ein einziger meiner Leute hat den Sultan von Symoore mitten aus Augh herausgeholt, und ein einziger meiner Männer hat genügt, den Maharajah von Kamooh gefangen zu nehmen und seinen Sirdar zu tödten.«
»So hast Du den Sultan und den Maharajah hier in der Ruine bei Dir?«
»Jetzt nicht mehr. Sie
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