Die Juweleninsel
zur Ruhe gehende Krokodilreiher auszustoßen pflegt, und nach kurzer Zeit waren wohl an die fünfzig Gestalten beisammen. Eine derselben stand in der Mitte des Kreises, welchen sie bildeten, und begann halblaut:»Nun sollt Ihr erfahren, weshalb ich Euch hier herführte. Ihr wißt, welch ein guter Herrscher unser Maharajah war –«
»Wir wissen es,« antwortete Einer für Alle.
»Er war gerecht und gut; er war auch klug und hat nie einen Thug getödtet.«
»Niemals.«
»Darum haben wir ihn gerächt und werden auch noch viele seiner Feinde tödten. Sein Körper wurde aus ihren Händen gerettet, aber nicht sein Eigenthum und seine Schätze. Wollt Ihr mir einmal sagen, wem sie von jetzt an gehören?«
»Der Begum.«
»Du hast recht gesprochen, und Ihr sollt mir helfen sie ihr zu bringen. Wer nicht bereit dazu ist, der mag sich melden und uns dann verlassen.«
Es meldete sich Keiner und der Sprecher fuhr fort:
»Ich wollte die Begum und ihren Fremdling lange bei uns in der Ruine von Koleah behalten, aber die Inglis werden ihre Hand auf das Land legen und uns verfolgen. Das wird uns Kämpfe bringen, welche die Sicherheit der Begum gefährden, und daher soll sie dieses Land verlassen, bis es ihr möglich ist, zurückzukehren und den Thron ihrer Väter einzunehmen. Sie hat die Ruine bereits verlassen und wird sich auf ein Schiff begeben, welches ich für sie bestellte. Als ich den Scheiterhaufen errichtete, wußte ich, daß das Floß nicht verbrennen würde. Ich ließ erkunden, wo es liegt, und nun soll es die Schätze aufnehmen und der Begum zuführen. Ihr sollt als Schutz und Wache dienen. Seid Ihr bereit dazu?«
»Wir sind bereit. Befiehl nur, was wir thun sollen.«
»Ihr werdet es sogleich hören, denn da sehe ich Lubah zurückkehren.«
Es war wirklich der Phansegar, welcher jetzt herbeitrat. Der Anführer frug ihn:
»Was hast Du zu berichten?«
»Meister, es ist kein Mensch im Garten, und das Kiosk steht noch wie vorher.«
»So gehe voraus, damit wir nicht überrascht werden. Ihr Andern folgt mir!«
Sie bildeten eine lange Reihe, welche sich am Ufer des Flusses hin bewegte bis an die Mauer, welche den Garten des Maharajah begrenzte. Die Zerstörung hatte auch hier gewüthet, denn die Mauer war an mehreren Stellen eingerissen worden. Die Thugs gelangten durch eine dieser Breschen sehr leicht in den Garten und wurden von ihrem Anführer nach dem Kiosk geführt.
Hier stellte er einige Wachen aus und betrat dann mit Lubah das Gartenhaus. Nach wenigen Augenblicken ließ sich ein leises schleifendes Geräusch vernehmen, und die Außenstehenden bemerkten zu ihrem Erstaunen, daß sich das Häuschen auf seinem Fundamente drehte. Einige Zeit darauf erschien Lubah am Eingange.
»Herbei jetzt! Ein jeder erhält ein Paket und trägt dasselbe nach dem Flosse.«
Nun begann ein eifriges und geräuschloses Hin-und Herwandern zwischen dem Kiosk und dem Flosse, bis sich später das Häuschen wieder drehte und der König der Phansegars mit Lubah heraustrat.
»Fertig. Jetzt kommt zurück!«
Auf dem Flosse wurden nun alle Gegenstände in gute Lage und Ordnung gebracht, und dann entfernten sich die Thugs, während der Anführer mit Lubah zurückblieb. Keiner von Beiden sprach ein Wort. So verging wohl eine halbe Stunde, bis sich wieder leise Schritte vernehmen ließen. Die Leute kehrten zurück. Ein jeder von ihnen trug auf der Schulter einen starken aber leichten Bambusstab, an dessen beiden Enden hohle Tongefäße befestigt waren.
Von dieser einfachen aber sehr praktischen Beschaffenheit sind die Vorrichtungen, mit deren Hilfe die Anwohner des Indus, Ganges und anderer ostindischer Flüsse ohne große Anstrengung weite Strecken zu Wasser zurücklegen. Der Schwimmer legt sich mit seinem Vorderkörper auf den Querstab und wird von den Thongefäßen so bequem über Wasser gehalten, daß es ihm leicht wird, auch größere Entfernungen ohne bedeutende Ermüdung zurückzulegen.
Einer von ihnen brachte auch zwei lange Ruder mit, mit deren Hilfe das Floß gelenkt werden konnte. Es stieß vom Lande und suchte, begleitet von den Thugs, welche jeder mit Säbel und Messer bewaffnet waren, die Mitte des Stromes auf. Diese fünfzig Schwimmer, welche gewohnt waren mit dem Tode zu spielen, bildeten für das Floß eine Bedeckung, die sich unter keinem Umstande gescheut hätte, es mit einem weit zahlreicheren Feinde aufzunehmen. Der Schatz der Begum war ihnen und dem Elemente anvertraut, in welchem sie beinahe ebenso zu Hause waren wie
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