Die Juweleninsel
erwarten; er aber kam nicht; die Zeit wurde mir lang, und so trat ich zwischen die Säulen des Palastes, um mich dort auf eine der Matten niederzulassen. Kaum hatte ich dies gethan, so vernahm ich Schritte, und es kamen zwei Männer.«
»Der Minister und der Maharajah?«
»Ja.«
»Und sie sahen Dich nicht?«
»Nein. Sie gingen hart an mir vorüber, blieben aber bereits nach einigen Schritten halten. Ich bemerkte, daß der Rajah Tamu beim Arme ergriff und hörte die leise Frage: ›Du hast immer einen Diener bei Dir. Ist dies auch heut Abend der Fall?‹
›Ja, Sahib.‹
›Wo ist er?‹
›Draußen im Hof.‹
›Weißt Du das gewiß?‹
›Ganz sicher.‹
›Er wird uns doch nicht bemerken?‹
›Nein, Sahib.‹
›Ich habe meine Diener so beschäftigt, daß sie uns nicht beobachten können.‹
›Der meinige wird nicht wagen den Palast zu betreten; das weiß ich genau.‹
›So komm!‹
Sie gingen weiter. Hier mußte etwas Wichtiges und Geheimnißvolles vorliegen, und ich beschloß ihnen auf alle Gefahr hin zu folgen. Sie stiegen die Treppe zu dem Gewölbe hinab, in welchem wir vorhin vergebens gesucht haben, und der Rajah brannte dort eine bereit liegende Fackel an. Dann drückte er an eine der großen Steinplatten, die die Mauer bilden; sie wich zur Seite und ließ ein kleineres Gewölbe sehen, in dem ich so viele goldene und silberne Gefäße, Münzen und Edelsteine erblickte, daß mir von all dem Glanze die Augen geblendet wurden.«
»Es war die Schatzkammer?«
»Ja. Ganz derselbe Raum, den ich vorhin öffnete und den wir leer gefunden haben.«
»Wo ist der Schatz hin?«
»Weiß ich es? Hätte ich ihn hier gesucht, wenn ich ihn anderswo vermuthete?«
»Verschwunden kann er nicht sein, wenn er nicht von dem Sultan gefunden wurde.«
»Der Sultan hat ihn nicht gefunden. Seit ich den Schatz erblickte, hat die Sehnsucht, ihn zu besitzen in mir gebrannt wie eine Flamme, die zu den Wolken steigt. Nicht durch Gewalt, sondern nur durch List konnte ich zu ihm gelangen. Ich setzte mich daher in dem Vertrauen des Ministers fest; ich trieb ihn zum Verrathe; ich schürte und schürte, bis das Feuer des Krieges ausbrach; ich sorgte, daß der Sultan von Symoore den Maharajah von Augh so schnell überfiel, daß dieser nicht Zeit fand, seine Kostbarkeiten zu entfernen; dann trieb ich die Engländer herbei, um zu verhüten, daß der Sultan in das Gewölbe gelange, und nun mir dies Alles so gut gelungen ist, finde ich den Schatz verschwunden!«
»Wo ist er hin?«
»Das weiß Allah und der Teufel, ich aber nicht! Madpur Singh muß ihn während seiner Regierung an einen Ort gebracht haben, wo er ihn für sicherer gehalten hat.«
»Nun ist er todt!«
»Und sein Geheimniß starb mit ihm.«
»Nein. Es lebt noch.«
»Wer sollte es kennen?«
»Die Begum. Sie war seine Vertraute in allen Stücken, und es ist daher als unumstößlich anzunehmen, daß sie genau weiß, wo der Schatz verborgen ist.«
»Aber wo ist sie?«
»Der Maharajah wurde ermordet; sie aber ist entkommen. Ein Krieger hat sie auf das Pferd genommen und ist mit ihr durch den Fluß geritten. Niemand aber kann sagen, wer er gewesen ist und wohin er sie gebracht hat.«
»Denkst Du, Lidrah, daß der Schatz außerhalb Aughs verborgen worden ist?«
»Nein,« antwortete der Kundschafter, welcher also Lidrah hieß. »Er ist ganz sicher in dem Palaste oder in der Nähe desselben versteckt worden; davon bin ich überzeugt.«
»Vielleicht im Garten.«
»Wahrscheinlich.«
»Aber an welchem Orte?«
»Das wäre vielleicht zu erfahren.«
»Wie so?«
»Die Begum wird bei Nacht kommen, um ihn zu holen. Wenn wir uns also täglich hier auf den Posten stellen, ist es recht gut möglich, das Geheimniß zu entdecken.«
»Aber wenn wir es entdecken, wird es bereits zu spät sein, der Schatz wird ja dann gehoben, und wir können dies nicht verhindern, sondern haben das Nachsehen.«
»Verhindern könnten wir es schon. Die Engländer sind da, und die Begum müßte also heimlich kommen. So bald wir Lärm machten, wäre sie verloren.«
»Und der Schatz mit ihr.«
»Wir müßten sie ruhig gewähren lassen und ihr dann folgen. Aber, horch!«
»Schritte!«
»Ja. Komm schnell hinter dieses Zimmetgesträuch!«
Sie verbargen sich und erkannten einen Mann, aus dessen leisen, vorsichtigen und spähenden Bewegungen zu ersehen war, daß er nachsuchen wolle, ob irgend Jemand hier vorhanden sei. Er schlich sich vor dem Gesträuch vorüber, ohne die hinter demselben
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