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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht werden. So erreichte er das Schloßthor und ließ sich ganz in der Nähe desselben in den Graben hinab, um zu sehen, ob er sich in seiner Vermuthung nicht getäuscht habe.
    Kaum hatte er Platz genommen, als er leise Schritte vernahm. Er hörte, daß es zwei Personen seien, welche sich ihm näherten.
    »Sie sind es auf alle Fälle,« dachte er.
    Da er im tiefen Graben stand, so konnte er trotz der herrschenden Dunkelheit die nahen Gegenstände deutlich erkennen, da sich ihre Umrisse vor seinen Augen gegen den Himmel abzeichneten. Er erkannte zwei männliche Gestalten, welche vor der Brücke stehen blieben. Er hätte die Füße derselben recht gut mit der Hand erreichen können.
    »Gehst Du durch das Thor, Onkel?« frug der Eine.
    Kurt verstand diese Worte, trotzdem sie leise gesprochen worden waren.
    »Ich könnte,« antwortete der Andere, »aber es wird besser sein, wenn ich mit Dir durch das Pförtchen trete. Man hat mich nicht bemerkt, als ich ging, und so braucht man mich auch nicht kommen zu sehen. Dann habe ich den Vortheil, daß Niemand ahnt, daß ich fortgewesen bin.«
    »So komm!«
    Sie schritten am Rande des Grabens entlang nach der kleinen Ausfallspforte zu, welche Kurt bereits früher bemerkt hatte. Er folgte ihnen im Graben mit unhörbaren Schritten und duckte sich dann unten so zur Erde nieder, daß sie ihn nicht sehen konnten, obgleich sie hart an ihm vorüber mußten. Sie stiegen in den Graben hinab und standen nun höchstens zwei Schritte von ihm entfernt.
    »Hast Du den Schlüssel, Franz?«
    Diese Worte sprach Derjenige, welchen der Andere vorhin »Onkel« genannt hatte, und Kurt war überzeugt, daß er den Schloßvogt mit seinem Neffen vor sich habe. Er wagte kaum Athem zu holen und horchte angestrengt, damit ihm ja keine Silbe entgehen möge.
    »Ja,« antwortete der Gefragte.
    »So mache auf!«
    Ein Schlüssel klirrte leise im Schlosse.
    »Du brauchst nicht wieder zuzumachen.«
    »Warum?«
    »Du mußt ja gleich wieder fort.«
    »Aber wenn jemand – –?«
    »Pah? Wer sollte zur Pforte kommen? Ich weiß nicht, ob ich Dich bis hierher zurückbegleiten kann, darum ist es besser, Du läßt offen und gibst mir jetzt den Schlüssel, damit ich später hinter Dir verschließen kann. Auf diese Weise kannst Du ohne Aufenthalt das Schloß verlassen.«
    »Wo ist der Prinz?«
    »Er wartet im Gärtchen.«
    »Hast Du dafür gesorgt, daß mich auch jetzt kein Mensch bemerkt?«
    »Um diese Zeit kommt Niemand mehr in den Hof, und übrigens habe ich Alles gut verschlossen. Und in das Gärtchen hat überhaupt kein Uneingeweihter jemals Zutritt gehabt. Du bist also vollständig sicher!«
    »So komm!«
    Sie traten durch die Pforte ein und zogen dieselbe hinter sich zu.
    »Was thue ich?« frug sich Kurt. »Bis jetzt weiß ich so viel wie nichts, und doch muß ich Alles erfahren. Welchen Zweck hatten die Kerls, mich gefangen zu nehmen? Ich muß lauschen! Aber wie? Könnte ich doch auf die Mauer? Ah, es wird gehen. Wenn ich die Pforte öffne, kann ich auf die Kante derselben steigen und von da aus den Mauerkranz mit der Hand erreichen, wenn nämlich die Angeln noch so fest sind, daß sie mich tragen können. Aber die doppelte Gefahr! Die fürchterliche Tiefe hinter dem Gärtchen und – wenn mich diese Schurken bemerken. Ah pah, ich muß wissen, woran ich bin, es wird gewagt!«
    Er hatte keine Zeit zu verlieren und stieß das Pförtchen leise wieder auf. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß sowohl die Angelbänder als auch die Angelzapfen noch gut befestigt seien, versuchte er, auf die obere Kante der Thüre zu kommen. Es gelang, und nun konnte er die Kante der Mauer mit den Händen erreichen. Ein kühner Schwung brachte ihn empor. Die Mauer war glücklicherweise so stark, daß er, wenn er sich niederlegte, nicht bemerkt werden konnte. Seine Stiefel hatte er unten im Graben gelassen. Er schob sich vorsichtig auf der Mauer hin. Bald lag das Gärtchen zu seiner Linken, und zu seiner Rechten gähnte die fürchterliche Felsentiefe unter ihm. Jedes fallende Steinchen müßte ihn verrathen, und jede falsche Bewegung konnte ihm den festen Halt rauben und ihn in den Abgrund stürzen. Die Quader, welche die Krone der Mauer bildeten, waren durch den Einfluß der Jahrhunderte gelockert worden, sie wankten in ihren Fugen. Trotzdem aber kroch der muthige Jüngling so schnell wie möglich weiter, bis er leise Stimmen hörte. Er befand sich gerade über der Bank, auf welcher damals Komtesse Toska den Prinzen empfangen

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