Die Juweleninsel
empor, wo ich vielleicht zehn Minuten lang auf der Lauer lag, bis ich Dich faßte. Kennst Du das Blitzkreuz?«
»Ja.«
»Gehen wir hin, oder lauern wir den Kerl hier ab?«
»Wir gehen. Wir müssen hier jeden etwaigen Lärm vermeiden und können auch nicht wissen, ob der Kerl vielleicht eine Strecke weit von seinem Onkel begleitet wird.«
»Doch, wenn es ihm einfallen sollte, einen andern Weg einzuschlagen?«
»Nach Wildendorf führt außer der Straße kein anderer Weg.«
»So komm!«
Kurt nahm den Freund bei der Hand und schritt mit ihm zwischen den Bäumen den Berg hinab. Es war ein sehr beschwerlicher Weg, und erst nach beinahe einer halben Stunde erreichten sie am Fuße des Berges einen schmalen Fußpfad, welcher nach dem Kreuze führte. Dieses stand links vom Wege auf einer kleinen vom Buschwerk freien Stelle. Die Steine, auf denen es errichtet war, waren deutlich zu erkennen.
»Hier ist der Platz,« meinte Kurt. »Wie stellen wir uns auf?«
»Denkst Du, daß er noch nicht hier gewesen sein kann?«
»Ich bin überzeugt davon.«
»So legen wir uns zu beiden Seiten auf die Lauer. Hast Du etwas zum Binden?«
»Nichts als mein Taschentuch.«
»Ich habe außer dem meinigen auch den Leibgurt. Mit dem Letzteren schnallen wir ihm die Arme an den Leib, mit den Tüchern werden ihm die Beine gebunden, dann haben wir ihn so sicher, wie es zu wünschen ist.«
Kurt rechts und Walmy links, steckten sie sich in die Büsche, um lautlos auf die Ankunft des Mörders zu warten. Ihre Geduld wurde nicht lange auf die Probe gestellt. Sie befanden sich kaum eine Viertelstunde in ihrem Verstecke, als sich eilige Schritte vernehmen ließen. Der Erwartete nahte sich ohne zu ahnen, welcher Gefahr er entgegen ging.
Beim Anblicke des Kreuzes schien ihn das Gefühl der Furcht zu überkommen, denn seine Schritte verdoppelten sich, und er hielt sich scheu nach der andern Seite. Da aber hob sich plötzlich vor ihm eine dunkle Gestalt vom Boden, und zu gleicher Zeit erhielt er einen Faustschlag vor die Stirn, daß er augenblicklich ohne einen Laut von sich zu geben, zusammenbrach.
»Brav gemacht!« meinte Walmy zu Kurt, der den Schlag geführt hatte, »nun schnell ihn binden!«
Bereits in der nächsten Minute lag der Diener so fest gebunden am Boden, daß er sich nicht im mindesten zu bewegen vermochte.
»Was nun?« frug Kurt.
»Fortschaffen.«
»Wohin?«
»Hm! Ich denke, nirgends anders hin als nach dem Gerichtsamte oder nach der Mühle, wo der Gensdarm wohl noch auf Dich warten wird. Wohin ist es näher?«
»Nach der Mühle. In einer guten Viertelstunde können wir dort sein.«
»Schön! Wir werden uns eine Trage machen.«
»Geht das? Ohne Schnuren und Stricke?«
»Geht prächtig. Im Urwalde lernt man solche Dinge leicht fertigen.«
Es währte nur kurze Zeit, so hatte er aus abgeschnittenen Stangen und biegsamen Zweigen eine Tragbahre gefertigt, auf welche der Gefangene befestigt wurde. Hierbei kehrte ihm die Besinnung zurück.
»Willkommen, Master Geißler,« meinte Walmy ironisch. »Seid hier auch von so einer Art Blitz getroffen worden – doch das soll Euch nicht das Geringste schaden; das versichere ich Euch!«
»Wer seid Ihr?«
»Werdet es bald erfahren.«
»Es stürzte mir etwas auf den Kopf, wie ich mich jetzt erinnere – –?«
»Ja,« lachte Wilmy. »Wir fanden Euch am Boden liegen und haben Euch aus reiner Mildthätigkeit auf diese rasch gefertigte Tragbahre gelegt, um Euch aus dem Walde zu bringen.«
»Wohin?«
»Nach dem nächsten Hause, das wird wohl die Höllenmühle sein.«
»Dorthin mag ich nicht!«
»Warum nicht?«
»Weil – weil – – Donnerwetter, ich bin gefesselt! Wer hat das gethan?«
»Wir, mein Theurer.«
»Warum?«
»Natürlich nur deshalb, damit Ihr nicht von der Tragbahre herabfallt.«
»Ich falle nicht. Ich kann überhaupt gehen; ich brauche Eure Hilfe nicht mehr: ich muß meinen Weg weiter fortsetzen.«
»Wohin? wenn ich fragen darf.«
»Nach – nach – – das kann Euch gleichgiltig sein.«
»Da habt Ihr Recht. Wir brauchen es nicht zu wissen, weil wir es ja bereits schon wissen. Aber wir sind zu aufmerksam und mitleidig, als daß wir Euch mit Eurem armen Kopfe den weiten Weg nach Wildendorf machen lassen werden. Wie leicht könnte Euch ein zweiter Unfall begegnen!«
»Ich verlange, daß Ihr mich freilaßt!«
»Geduld, Alter! Ein barmherziger Samariter thut sein Werk nicht halb.«
»Laßt mich los!«
»Schrei nicht so, mein junge, sonst sind wir gezwungen, Dich
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