Die Juweleninsel
Mordwaffe in einem haarscharfen, sichelförmig gebogenen Messer besteht, welches so giftig schneidend und dabei so schwer ist, daß es nur einer geringen Bewegung der geübten Hand bedarf, um ein Menschenhaupt in einem einzigen Augenblicke vom Rumpfe zu trennen. Einem solchen Phansegar entgeht sicher kein Opfer, welches er sich einmal ausgelesen hat, und so kann man sich den tödtlichen Schreck Maletti’s denken, als er an den furchtbaren Messern erkannte, in welche Hände er gefallen war.
Der Sprecher war ein alter, vielleicht bereits siebenzigjähriger Mann, dessen Gestikulationen bei seiner Rede aber trotz dieses Alters von einer solchen Energie und Wildheit waren, daß sein kaftanartiges Gewand seinen hagern braunen Körper immer wie eine vom Winde gepeitschte Wolke umflatterte.
Maletti vernahm ganz deutlich jedes Wort, welches er sprach. Dieser Mensch hatte sicher nicht die mindeste Bildung genossen, aber seine Improvisation, durch welche er die Gefährten zu begeistern versuchte, zeigte eine Art diabolischer Poesie, welche ebenso staunenswerth wie beängstigend war.
Nach einem ihm laut zugebrüllten Beifallssturme begann er die Fortsetzung seiner Rede, welche zu deutsch ungefähr gelautet hätte:
»Da draußen, in dem finstern, wirren
Gedschungel, wo der Panther schleicht,
Der Schlangen gift’ge Zungen schwirren,
Der Suacrong nach Beute streicht,
Liegt Bhowannie 10 , die Allmachtsreiche, Versunken unterm Wunderbaum;
Ihr Angesicht, das nächtlich bleiche,
Umspielt des Glückes goldner Traum.
Sie träumt von Lambadans Gefilden,
Wo einst ihr heil’ger Tempel stand,
Eh’ noch ihr Volk den ungestillten
Geheimen Wandertrieb gekannt.
Wo sie beim Schein der Hekatomben
Ihr großes Reich sich aufgebaut,
Bis auf verfall’ne Katakomben
Ihr letztgebornes Kind geschaut,
Da sind die Säulen eingefallen,
An denen sich die Wolke brach,
Versunken die geweihten Hallen
In denen sie zum Volke sprach.
Als sie zum letzten Mal die Stimme
Erhob am blutgetränkten Thron,
Warf sie im ungezährnten Grimme
Der Knechtschaft Fluch auf ihren Sohn – –«
Mehr bekam Maletti jetzt nicht zu hören. Der ihm zunächst sitzende Indier hatte bemerkt, daß ihm das Bewußtsein zurückgekehrt sei, und band ihm ein altes zerfetztes Tuch um die Ohren, so daß das Blut in denselben zu summen begann und ein Hören zur Unmöglichkeit wurde.
Doch konnte der Gefangene genug sehen, um mit der größten Sorge für sein Leben erfüllt zu werden, denn es wurden während der Fortdauer der Rede die Messer auf ihn gezückt, und eine Menge der scheußlichsten Geberden sagten ihm diejenigen Glieder seines Leibes, welche man der Reihe nach abschneiden werde.
Da gab das alte Tuch nach, und es wurde ihm möglich, den Schluß der Rede zu verstehen:
»Nahm sie im Westen scheinbar nieder
Am Abend ihren Tageslauf,
So steigt sie doch im Osten wieder
Am Morgen sieggekrönt herauf.
Im Westen ist Dein Volk gesunken,
Fern von der Lambadana Höhn,
Im Osten wird es siegestrunken
Aus seiner Asche auferstehn.
Dann muß die Nacht zum Tage werden,
Die Finsterniß zum Sonnenschein,
Und der Phansegar wird auf Erden
Ein Herrscher aller Herren sein!«
Der Sprecher sprang von dem Steine herab. Seine Augen waren mit Blut unterlaufen, und während er sich in rasender Eile auf einem Fuße im Kreise drehte, erhoben sich die Andern, machten ihm die gleiche Bewegung nach und schwangen dabei ihre Messer, bis sie vor Ermüdung zu Boden stürzten.
Dann folgte eine Pause des Verschnaufens, nach welcher der Sprecher, der jedenfalls der Anführer der Bande war, zu dem Gefangenen trat und ihm die Binde von den Ohren nahm.
»Du bist ein Fremder?«
»Ja,« antwortete Alphons.
»Aus welchem Lande?«
»Aus Frankhistan.«
»Nein, Du lügst. Du bist mit den Inglis gekommen?«
»Ja.«
»So bist Du also aus Inglistan!«
»Nein. Ich bin aus Frankhistan, obgleich ich mit den Inglis gekommen bin.«
»Aber Du hast zu den Inglis gehört.«
»Ja. Aber ich gehöre jetzt nicht mehr zu ihnen.«
»Du lügest wieder! Du trägst ja ihre Kleidung und Uniform.«
»Ich bin erst gestern Abend in den Dienst des Maharajah von Augh getreten und hatte keine Zeit, mir bereits jetzt andere Kleidung zu verschaffen.«
»Du lügst wieder. Der Maharajah von Augh nimmt keinen Ingli in seinen Dienst. Du mußt sterben!«
»So tödte mich! aber schnell!«
Der Andere ließ ein haarsträubendes Lachen hören.
»Schnell? Ein schneller Tod ist die herrlichste Gabe,
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