Die Juweleninsel
erwacht; aber er hatte ja die Ueberzeugung, daß es kein Traum, sondern Wirklichkeit gewesen war. Und wem hatte er sein Leben zu verdanken? jedenfalls dem Phansegar, eigentlich aber doch der Begum, denn nur der Name der Prinzessin hatte die Hand des Mörders von ihm zurückgehalten.
Er kam sich wie ein Neugeborener vor, als er durch die Stadt schritt, um das Schloß zu erreichen. Dort angekommen, vernahm er, daß der Rajah bereits nach ihm geschickt habe. Er begab sich sofort zu ihm und wurde im ersten Augenblicke mit herzlicher Freundlichkeit, dann aber mit lebhaftem Erstaunen empfangen.
»Du warst fort, als ich Dich rufen ließ?«
»Ja, Sahib. Ich war vor die Stadt gegangen.«
»Du dachtest nicht, daß ich Dich rufen würde?«
»Doch! Aber ich dachte nicht, daß ich so spät zurückkehren würde.«
»Du hast ein Abenteuer erlebt?«
»Woher vermuthest Du dies, Sahib?«
»Deine Kleider sind zerrissen.«
Erst jetzt gewahrte Maletti, daß sein Anzug allerdings beträchtlich gelitten hatte. Das gewaltsame Zerren durch das harte Buschwerk trug die Schuld daran.
»Ja. Ich hatte ein Abenteuer.«
»Welches?«
»Ich darf es nicht erzählen.«
»Auch mir nicht?«
»Hm! Mißtrauest Du mir wenn ich schweige, Sahib?«
»Nein. Aber sage mir, ob Du vielleicht Dein Wort gegeben hast zu schweigen?«
»Ja.«
»So werde ich Dich nicht weiter fragen. Ich sehe, daß man Dich angefallen hat, vielleicht weil man Dich für einen Engländer hielt. Ich kann leider die Schuldigen nicht bestrafen, weil Du sie mir nicht nennen willst.«
»Verzeihe Ihnen, Sahib, so wie ich ihnen verziehen habe. Unser Glaube sagt, daß man feurige Kohlen auf das Haupt des Feindes sammele, wenn man ihm vergibt.«
»So sagt Dein Glaube etwas sehr Gutes. Befolge ihn, wenn es Deine Ehre zuläßt. Jetzt aber komme mit mir. Die Verhandlung mit den Engländern wird beginnen, und ich muß Dir zuvor Kleider geben, die Du in Zukunft tragen sollst.«
Nach einer Viertelstunde saß Maletti mit dem Rajah in einem Zimmer, welches in seiner Mitte mit einem Teppiche belegt und an den Wänden mit Divans versehen war. Sonst aber befand sich nicht das geringste Möbel oder Geräth in dem Raume, wenn man nicht einigen thönernen Kühlgefäßen diesen Namen geben wollte.
Diese porösen und aus Thon gebrannten Töpfe werden mit Wasser gefüllt, welches durch die Poren sehr leicht und schnell verdunstet und in Folge dessen eine angenehme Kühle in dem Zimmer verbreitet. Damit nun diese Kühlung nicht nur einem Raume zu Gute komme, sind oft die Zwischenwände zweier Zimmer durchbrochen, so daß Nischen entstehen, in denen diese Gefässe aufgestellt werden.
Auch das Zimmer, in welchem sich der Rajah mit seinem neuen Minister befand, hatte zwei solche Nischen, und durch diese Oeffnungen hindurch konnte man jedes Wort hören, welches im Nebenzimmer gesprochen wurde. Dort saß Lord Haftley und der Rittmeister Mericourt, um mit dem Bevollmächtigten des Rajah zu verhandeln. Der stolze Engländer hatte sich also doch herbeigelassen zu erscheinen, sah aber dieses Opfer nicht von Erfolg gekrönt, denn die Zugeständnisse, welche ihm gemacht wurden, geschahen nur unter derjenigen Bedingung, welche Madpur Sing gestern mit Maletti besprochen hatte.
Der Lord war natürlich innerlich entschlossen, keinesfalls auf diese Bedingung einzugehen, hielt aber mit dieser Meinung zurück und gab vor, sich die Sache erst noch reiflich überlegen zu müssen. Er erhob sich und ertheilte dem Rittmeister mit der Hand ein Zeichen, zu sprechen.
Dieser erhob sich ebenso und meinte, wie so nebenbei im Gehen:
»Ah, da muß ich noch eine Frage aussprechen, die ich beinahe vergessen hätte!«
»Welche?«
»Wo wohnt der Lieutenant Alphons Maletti?«
Der Bevollmächtigte des Rajah war von diesem bereits instruirt worden.
»Bei meinem Herrn,« antwortete er. »Ihr wißt dies ja.«
»Wir wissen es,« meinte der Rittmeister. »Aber der Lieutenant ist mein Untergebener, und ich wünsche, daß er bei mir wohne.«
»Hat seine Lordschaft nicht die Erlaubniß ertheilt, daß der Lieutenant bei meinem Herrn, dem Rajah sein könne?«
»Er hat sie ertheilt, doch er sieht sich veranlaßt sie wieder zurückzuziehen.«
»Das würde meinen Herrn, der den Lieutenant außerordentlich liebt und achtet, kränken. Will seine Lordschaft meinen Herrn, den Maharajah Madpur Sing von Augh beleidigen?«
»Er hat diese Absicht nicht.«
»Aber es würde eine Beleidigung sein, wenn der Lieutenant zurückgefordert
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