Die Juweleninsel
König und seine Schwester beschützen willst.«
»Ich werde Dir es sagen, denn ich habe gestern Abend vernommen, daß Du schweigen kannst.«
»Wo hast Du dies vernommen?«
»Am Kiosk der Begum, in welchem der Rajah mit ihr sprach. Ich hörte da, daß Du ihm das Leben gerettet und ihn mit Deinem Schweigen beschützt und behütet hast. Ich bin unter die Phansegars gegangen, weil Tamu, der Minister, mir Alles nahm, was ich besaß. Ich ging zum Könige, dem Vater des jetzigen Rajah, und wurde nicht nur abgewiesen, sondern gepeitscht und in das Gefängniß geworfen, wo ich gestorben wäre, wenn ich nicht zu entkommen vermocht hätte. Der König starb, und am Tage, als der jetzige Rajah König wurde, gab er meinem Sohn Alles wieder, was man mir genommen hatte. Darum beschütze ich ihn, die Begum und Dich, denn Ihr werdet nie etwas thun, was dem Volke Schmerzen macht. Tamu aber muß sterben, muß sterben den langsamen Tod, den Du vorhin sterben solltest.«
»Er ist nicht mehr Minister.«
»Ich weiß es. Ich hörte es, denn ich lag hinter Euch auf der Erde, als der Rajah mit Dir sprach.«
»Du hast gehört, was gesprochen wurde?«
»Ja. Ich und noch eine andere Person.«
»Wer?«
»Die Begum.«
»Die Begum hat uns auch belauscht?« frug Alphons überrascht.
»Ja. Sie saß neben mir, aber sie hat mich nicht gesehen.«
»Und dann – – warst Du noch da, als ich zurückkehrte?«
»Ich war da und habe jedes Wort vernommen. Doch fürchte Dich nicht. Ich werde Dich nicht verrathen, sondern Dich beschützen.«
»Was thatest Du eigentlich in dem Garten?«
»Die Inglis sind hier, und ich bin der Freund des Rajah. Soll ich Dir einen bessern Grund sagen?«
»Nein. Ich vertraue Dir.«
»So schwöre, daß auch Du nicht von mir erzählen willst!«
»Ich schwöre es.«
»Bei allen Deinen Göttern?«
»Ich habe nur einen einzigen.«
»So bist Du ein sehr armer Mann. Bei ihm also schwörst Du es?«
»Bei ihm!«
»So bist Du frei. Du hast schon von den Thugs gehört?«
»Ja.«
»Und fürchtetest sie?«
»Allerdings.«
»Sie sind nur ihren Feinden furchtbar, furchtbarer noch als die wilden Thiere der Dschungel; ihren Freunden aber sind sie wie die Sonne der Erde und wie der Thau dem Grase. Hier, nimm diesen Zahn, trage ihn auf der Brust und zeige ihn vor, wenn Du wieder einmal in die Hände der Brüder fallen solltest. Du wirst wie ein Freund entlassen werden.«
Maletti betrachtete das werthvolle Geschenk. Es war der Zahn eines jungen Krokodils. Er hing an einer einfachen Schnur, und seine Spitze war auf eine ganz eigenthümliche Weise angeschliffen, welche jedenfalls dazu bestimmt war, als Erkennungszeichen zu dienen.
»Ich danke Dir! Wirst Du öfters in dem Garten des Rajah sein?«
»Ich weiß es nicht. Warum?«
»Ich könnte Dich vielleicht einmal sprechen wollen.«
»So gehe von der Stadt aus gerade nach Ost bis an den großen Wald, den Du in sechs Stunden erreichen kannst. Es ist der Wald von Kolnah. Grade in der Mitte desselben befindet sich die Ruine eines Tempels. Nimm einen spitzen Stein oder Messer und zeichne auf die Mitte der untersten Tempelstufe einen Krokodilszahn, so werde ich kommen.«
»Wohnest Du dort?«
»Ich wohne sehr oft dort. Jetzt weißt Du viel. Du bist mein Bruder geworden. Schweigest Du, so werde ich Dich beschützen; sprichst Du aber, so mußt Du sterben.«
»Ich werde schweigen!«
»Ich glaube Dir. Komm. Ich werde Dich zur Stadt geleiten!«
Sie durchschritten den Palmenwald und die Felder. An der Grenze der letzteren blieb der Phansegar stehen.
»Hat Dein Vaterland auch Sterne?« frug er.
»Es hat welche.«
»Sind sie so schön und hell wie die unsrigen?«
»Nein.«
»So kehre nie zurück, und erlabe Dich vielmehr an den Wundernächten dieses Landes. Hat Dein Land auch Frauen?«
»Ja.«
»Sind sie so schön wie die unsrigen?«
»Ja.«
»Auch so schön wie die Begum?«
»Nein.«
»So kehre nicht zurück in die Ferne, sondern bleibe hier, um den Stern, welcher Dir in der letzten Nacht aufgegangen ist, festzuhalten, damit er Dir nie wieder untergeht!«
Mit diesen Worten gab er ihm die Hand und verschwand zwischen den Feldern.
Alphons Maletti athmete tief auf, nicht allein wegen der Wendung, welche der Abschied von diesem Manne genommen hatte, sondern vor allen Dingen wegen der so unerwarteten und sonderbaren Rettung aus der fürchterlichsten Todesgefahr, welche nur jemals einem Menschenkinde drohen kann.
Er stand da, als sei er soeben aus einem wüsten Traume
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