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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche Bhowannie ihren Söhnen spendet. Wie kann ein Ingli nach dieser Gabe verlangen? Meine Schüler hier werden sich an Deinem Körper üben.«
    Er wandte sich im Kreise herum.
    »Tretet näher! Ein jeder nehme sich seinen Theil. Erst die Zunge, dann die Nase, dann die Lippen, nachher die Ohren, das eine Auge, die rechte Hand, das andere Auge, die linke Hand, die beiden Waden, die Muskeln am Arme – –«
    Während er jeden einzelnen dieser Körpertheile her nannte, deutete er mit dem Zeigefinger auf denjenigen Phansegar, welcher den betreffenden Schnitt ausführen sollte. Dann fuhr er, als jedes Glied und jede Muskel erwähnt worden war, fort: »Aber, daß mir Keiner eine große Ader verletzt! Dieser Ingli muß leben, bis ich Euch mein Meisterstück an ihm zeige: Ich werde ihm die Brust öffnen, und er soll sein eigenes Herz pulsiren sehen, ehe er stirbt.«
    Dem Gefangenen schwanden vor Entsetzen beinahe die Sinne. Er hatte dem Löwen und dem Tiger gegenüber nicht die mindeste Furcht gezeigt, hier aber war es etwas anderes. Es wirbelte ihm vor den Augen, es brandete ihm vor den Ohren, er machte eine Bewegung, um sich mit Gewalt von seinen Banden zu befreien – es half nichts.
    »Sei still, Fremdling!« grinste der Anführer. »Ihr seid aus Inglistan gekommen, um von unserem Vaterlande ein Stück nach dem andern abzuschneiden. Wir werden Vergeltung üben. Jetzt bist Du das Land Indien, von welchem wir mit unsern Messern eine Provinz nach der andern abtrennen, und Du wirst nichts Anderes fühlen und leiden, als was Indien gefühlt und gelitten hat. Beginne, mein Sohn!«
    Der Phansegar, an welchen diese Worte gerichtet waren, zog sein Messer aus dem Shawl, welcher seine Hüften umwand.
    »Hilfe!« rief Alphons mit aller Kraft seiner Stimme.
    »Still!« gebot der Mörder, auf seinen Leib niederkniend. »Es kann Dir Niemand helfen, denn wir sind allein. Und selbst wenn Hunderte in der Nähe wären, sie würden es nicht wagen uns zu stören. Gib mir Deine Zunge freiwillig heraus, sonst muß ich Dir den Mund mit dem Messer aufreißen!«
    Es war keine Hoffnung mehr. Alphons schloß die Augen. Ein einziges Wort nur wollte er noch sprechen; es drängte sich wie das inbrünstige Gebet eines Sterbenden über seine Lippen.
    »Rabbadah – – – !«
    Der Phansegar hatte bereits das Messer dem Munde des Opfers genähert, fühlte aber in diesem Augenblicke seinen Arm zurückgehalten.
    »Halt!« gebot der Anführer.
    »Warum?« frug ganz erstaunt der Andere.
    An diesem Erstaunen war wohl zu erkennen, daß der Anführer noch niemals einen solchen Befehl gegeben hatte.
    »Frage nicht!«
    Nach dieser Abweisung wandte er sich zu den Andern:
    »Tretet zurück, bis ich mit diesem Ingli gesprochen habe.« Sie gehorchten augenblicklich seinem Gebote. Maletti fühlte sein Herz mit ängstlicher Hoffnung belebt.
    »Wie ist Dein Name?« frug der Phansegar.
    »Alphons Maletti.«
    »Du bist wirklich aus Frankhistan?«
    »Ja.«
    »Du mußt trotzdem sterben, wenn ich mich irre. Du sagtest jetzt ein Wort. Warum dieses?«
    »Rabbadah?« frug der Gefangene.
    »Ja. Warum?«
    »Das kann ich Dir nicht sagen.«
    Der Phansegar bohrte seine Augen tief in diejenigen seines Opfers.
    »Du kannst es nicht sagen? Und wenn Du wegen dieser Schweigsamkeit sterben mußt?«
    »Auch dann nicht!«
    »Du bist fest und muthig. Doch ich weiß, warum Du es nicht sagen willst. Wo warst Du gestern um Mitternacht?«
    »Beim Rajah.«
    »Wo?«
    »Im Garten.«
    »Und dann?«
    »In meiner Wohnung.«
    »Du lügst! Du warst noch an einem andern Orte.«
    Alphons erstaunte.
    »Wo soll ich noch gewesen sein?« frug er.
    »Wo der Bülbül seufzt und die Turteltaube girrt.«
    Jetzt erschrak Maletti nicht um seinet-, sondern um Rhabbadahs willen. Dieser Mensch hatte sich im Garten befunden und gelauscht.
    »Wie meinst Du dies?« frug er mit verstellter Verwunderung.
    »Fürchte nichts! Ich konnte Dein Angesicht nicht sehen und habe Dich heut also nicht erkannt. Aber als Du den Namen der Begum nanntest, ahnte ich, daß Du es seist. Du sollst dem Rajah Kanonen geben, um die Inglis zu vertreiben?«
    »Ja.«
    »Und Du wirst ihm und der Begum treu dienen?«
    »Ja.«
    »So bist Du frei. Aber Eins mußt Du mir bei Deinen Göttern schwören.«
    »Was?«
    »Daß Du weder dem Rajah und der Begum, noch einem andern Menschen erzählen willst, daß der Phansegar im Garten lauscht, um seinen König zu beschützen.«
    »Vielleicht beschwöre ich es, wenn Du mir sagst, warum Du, der Mörder, den

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