Die Juweleninsel
er, sich an die Begum wendend, hinzu: »Was Du befiehlst, Sahiba, das wird geschehen!«
»Ich bitte Dich zunächst um Aufbewahrung dieser beiden Todten.«
»Willst Du sie nicht verbrennen?«
»Kann ich sie jetzt verbrennen in der Art und Weise, wie es dem Maharajah von Augh geziemt!«
»Du kannst es, jetzt noch besser als früher oder später.«
»Wie? An welchem Orte und zu welcher Zeit?«
»Das überlasse mir, Sahiba! Und was befiehlst Du noch?«
»Weißt Du nicht einen Ort, an welchem ich und dieser treue Beamte meines Bruders einige Zeit uns verbergen könnten? Man trachtet ihm und mir nach dem Leben.«
»Kommt!« antwortete er ohne sich zu besinnen.
Er führte Beide um den Tempel herum und mitten in den Wald hinein. Nach ungefähr zehn Minuten standen sie vor einer zweiten, aber ungleich besser erhaltenen Ruine.
»Du warst bisher nur im Vorhause, Sahiba,« erklärte er. »Hier ist der eigentliche Tempel. Meine Leute kennen Einzelnes von ihm, ganz aber ist er nur mir und meinem Schrie in Augh bekannt. Dieser war gestern nicht bei mir. Wenn er nicht mehr lebt, dann wehe seinen Mördern!«
Sie stiegen zu einem wohl hundert Ellen breiten Portikus hinan und traten ein in das kolossale Denkmal der Baukunst einer Zeit, welche um Jahrtausende hinter der Gegenwart liegt. In diesen mächtigen Räumen mußten sie sich wie Ameisen vorkommen, welche sich in den Kölner Dom verirren.
Der Meister hatte keine Zeit, sich mit Erklärungen aufzuhalten. Er ging im schnellen Schritte voran, die Beiden folgten ihm bis zum Hauptaltar. Hier stampfte er mit dem Fuße, und es öffnete sich gleich einer Thüre eine Steinplatte, hinter welcher eine Treppe sichtbar wurde.
»Dort oben wird Eure Wohnung sein. Merkt Euch also diese Mechanik. Hier stampfe ich zum Oeffnen und hier zum Schließen, und hinter der Thür auf der ersten Stufe zum Oeffnen und auf der zweiten zum Schließen. Nun folgt mir hinauf!«
Als sie die Treppe betreten hatten, stampfte er auf die zweite Stufe, und sofort schloß sich die Thür hinter ihnen. Sie stiegen eine ganze Flucht von Treppen empor und traten dann in einen hell erleuchteten Gang, in welchen der Reihe nach zwölf Thüren mündeten, deren Oeffnungen durch Matten gleich Portièren verschlossen waren.
»Das sind jedenfalls die Wohnungen der Priester gewesen,« erklärte er. »Befiehl, Sahiba, wie viele Räume Du haben willst. Die andern gehören Deinem Musteschar.«
»Laß erst sehen!« bat sie.
Sie traten ein und hatten nun zwölf Zimmer zu bewundern, von denen jedes einzelne nach chinesischer, malayischer, indischer oder europäischer Weise so eingerichtet war, daß sich kein Fürst zu bedenken brauchte, darin zu wohnen.
Die Begum schlug die Hände zusammen.
»Welche Pracht! Wer hat diese Räume ausgestattet?«
»Ich,« antwortete der Meister mit Selbstgefühl.
»Aber für wen?«
Er lächelte.
»Es kommt mich zuweilen auch der Wunsch an, wie ein Sahib zu wohnen. Ich bin der Maharajah der Thugs von Augh! Es kommen nicht selten sehr vornehme Sihdis und Sahibas zu mir, theils in Geschäften, theils um sich, wie Ihr, ein wenig zu verbergen. Da muß ich Wohnungen haben, welche für solche Leute geeignet sind.«
»Dann mußt Du auch wohl für Bedienung sorgen?«
Er lächelte wieder sehr selbstbewußt und zeigte auf ein kleines Metallbecken, welches mit seinem Hammer neben dem Eingange hing.
»Sahib, gib einmal ein Zeichen!«
Maletti ließ den Hammer einmal auf das Metall fallen, und im nächsten Augenblicke trat ein sehr reinlich gekleideter Knabe ein, der sich mit gekreuzten Armen bis fast zum Erdboden verbeugte.
»Gib zwei Zeichen, Sahib!«
Maletti that es, und augenblicklich erschien ein ungefähr zwölfjähriges Mädchen, welches ganz in derselben Weise grüßte.
»Gib drei Zeichen!«
Jetzt erschien ein Weib in den mittleren Jahren, deren rundes Gesicht ein recht Vertrauen erweckendes genannt werden mußte.
»Gib vier Zeichen, Sahib!«
Dieses Mal trat ein Mann von eben demselben Alter ein und grüßte. Sein Gesicht hatte einen recht freundlich-pfiffigen Ausdruck. Man sah es ihm an, daß er auch schwierige Aufträge gern und mit Gewissenhaftigkeit auszuführen bereit sei.
»Das ist die Bedienung,« erklärte der Meister, auf dessen Wink sich die Vier wieder entfernten. »Ihr kennt die Zeichen und werdet Euch ihrer nach Belieben bedienen. In jedem Zimmer ist Schreibzeug. Braucht Ihr etwas Besonderes, so ist es gut, dies immer aufzuschreiben und den Zettel am Abende zu
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