Die Juweleninsel
verschwunden. Weißt Du, wohin?«
»Nein.«
»Ich ahne es.«
»Sage es!«
»Das werde ich nicht thun, sonst beleidige ich Euch und entferne mich auch aus dem Schutze Eures Völkerrechtes.«
Diese Worte waren in einem Tone gesprochen, aus welchem deutlich zu hören war, daß der Sultan die Vermuthung hege, die Engländer hätten den Maharajah verschwinden lassen. Der Oberst legte die Hand zum zweiten Male an den Degen.
»Die Beleidigung ist bereits geschehen, denn Du hast deutlich genug gesprochen!«
»Du irrst wieder, denn ich habe nichts gesagt, aber man hat mir erzählt von mehreren Fürsten, die bei Euch und in Eurer Nähe verschwunden sind. Daher scheint es mir nicht gut zu sein, in Eure Nähe zu kommen.«
»Damit sind wir gern einverstanden, und ich ziehe daraus die Ueberzeugung, daß Du dem Befehle, welchen ich Dir zu überbringen habe, Folge leisten wirst.«
»Befehl? Wer könnte es wagen, dem Sultan von Symoore einen Befehl zu ertheilen?«
»Ich!«
»Du?« Der Sultan überflog die Gestalt des Engländers mit einem Blicke, in welchem ebensoviel Verachtung wie Mitleid zu erkennen war.
»Ja, ich! Und zwar im Auftrage meines Generales.«
»So hat die Sonne Dein Gehirn und auch das seinige verbrannt. Ihr seid Beide wahnsinnig geworden!«
»Du bist ein Anhänger der Lehre Muhammeds, und ich weiß, daß diese Lehre den Wahnsinnigen nicht verachtet, sondern ihn selig preist. Wäre dies nicht der Fall, so würde ich Dir meine Antwort in der That und nicht in Worten geben!«
»Ich fürchte weder Deine Worte noch Deine Thaten. Welches ist der Befehl, den ich so glücklich bin von Dir empfangen zu sollen?«
»Du sollst Augh räumen, weil wir unser Hauptquartier hier aufschlagen werden.«
»Gott ist groß, und die Welt ist weit. Sie hat Platz für uns und Euch. Schlagt Euer Hauptquartier auf wo Ihr wollt; in Augh aber bin ich und werde es nicht eher verlassen, als bis es mir beliebt.«
»Ist dies Deine feste Entscheidung?«
»Sie ist es.«
»Du willst also dem Befehle des Generals den Gehorsam versagen?«
»Ich habe ihm keinen zu leisten.«
»Denke an Deine Unterschrift!«
»Denkt Ihr an die Eurige. Ich bleibe.«
»Du sündigest gegen die Bedingungen, welche Du eingegangen bist.«
»Ihr selbst habt diese Bedingungen nicht erfüllt, denn nicht Ihr habt Augh erobert, sondern ich habe es gethan.«
»Weißt Du, welche Folgen Deine Weigerung für Dich und die Deinigen haben wird?«
»Ich werde sie ruhig abwarten.«
»Und Du willst uns nicht helfen, die Thugs aufzusuchen?«
»Sage mir, wo sie sind, dann werde ich Euch beistehen, sie zu fangen und zu bestrafen.«
»So bin ich fertig und kann gehen.«
»Du kannst gehen. Allah lenke Dich und Deine Schritte, damit Du nicht strauchelst!«
Der Offizier stieg zu Pferde und verließ mit seinen Begleitern in möglichst stolzer Haltung den Hof.
Lubah hatte Wort für Wort der Unterhaltung gehört. Der Vezier des Maharajah von Kamooh war getödtet und der Rajah selbst verschwunden. Der andere Phansegar hatte also bereits seinen Streich glücklich ausgeführt. Jetzt gab es kein Zögern mehr. Lubah schritt die Stufen zur Halle empor und warf sich dann auf den Boden nieder.
»Wer bist Du?« frug streng der Sultan.
»Herr, laß Deine Augen auf mich leuchten, so wirst Du den gehorsamsten und treuesten Deiner Diener erkennen!«
Er erhob den Kopf ein wenig, so daß ihm der Sultan in das Gesicht zu blicken vermochte. Der Herrscher erkannte ihn jetzt.
»Lubah, der beste meiner Suwars!« 24 rief er. »Ich hielt Dich für todt. Warum hast Du mich verlassen?«
»Ich habe Dich nicht verlassen, Herr. Ich wurde von Deinen Feinden gefangen genommen und in das Land der Usufzeys 25 geführt. Dort hielt man mich fest; bis ich den Seyud 26 tödtete und entkam.«
»Ich glaube Dir. Aber warum kehrtest Du nicht zu mir zurück?«
»Um nach Symoore zu kommen, mußte ich durch Augh. Hier wurde ich krank, denn ich hatte wärend der Gefangenschaft sehr viel gelitten, und konnte also nicht weiter. Aber mein Herz ist Dir treu geblieben, meine Augen sind auch hier für Dich offen gewesen, und da Du nach Augh gekommen bist, nahe ich mich Dir, o Herr, um Dir zu beweisen, daß ich Dir stets treu ergeben war.«
»Du willst mir Deine Treue beweisen? Deine Augen sind für mich offen gewesen? Wenn ich Dich recht verstehe, so willst Du mir etwas mittheilen, was Du gesehen oder erfahren hast?«
»Herr, Du bist groß, Du erräthst die Gedanken meiner Seele.«
»So sprich!«
»Ich darf
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