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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Leoparden, Affen, Vögeln oder Hyänen. Auch elektronische Geräusche ertönten in der Kakophonie - hinzu kam ein insektenartiges Zirpen, das aus den Lautsprechern einer voll aufgedrehten Stereoanlage zu dringen schien. Im Hintergrund vernahm Holly einen monotonen, pochenden Refrain, der aus drei Baß-Tönen bestand und von den steinernen Wänden des Treppenhauses widerhallte. Auf halbem Weg nach oben fühlte ihn Holly bis in die Knochen.
    Sie kam an einem schmalen Fenster auf der linken Seite vorbei. Mehrere Blitze zuckten durch das Gewölbe der Nacht, und der Teich neben der Mühle schien sich plötzlich in einen Trickspiegel zu verwandeln, wurde transparent und offenbarte seine Tiefen, so als reiche das Licht der Blitze bis zum Grund. Holly sah ein völlig fremdartiges Etwas. Sie blinzelte mehrmals und versuchte, Einzelheiten des Objekts zu erkennen, doch das letzte Flackern am Himmel verblaßte, wich neuerlicher Finsternis.
    Der kurze Anblick genügte, um Holly frösteln zu lassen. Es rann ihr eiskalt über den Rücken.
    Sie wartete und hoffte auf weitere Blitze, aber die Nacht blieb so undurchsichtig wie Teer. Nach einer Weile prasselte schwarzer Regen ans Fenster. Sie hatte fast das Obergeschoß erreicht, und deshalb war das blaßgelbe, flackernde Licht etwas heller geworden. Die Fensterscheibe allerdings wirkte dadurch völlig schwarz und zeigte ein Abbild der unmittelbaren Umgebung.
    Holly betrachtete sich selbst.
    Aber das Gesicht im Traum gehörte nicht ihr, sondern einer anderen Frau, die gut zwanzig sein mochte und keine Ähnlichkeit mit ihr aufwies.
    Sie hatte noch nie zuvor geträumt, im Körper einer anderen Person zu sein. Jetzt begriff sie, warum es ihr unmöglich gewesen war, draußen auf dem Kiesweg stehenzubleiben, und warum sie sich jetzt nicht daran hindern konnte, das Obergeschoß aufzusuchen. Ihr Mangel an Kontrolle hatte nichts mit der üblichen Hilflosigkeit zu tun, die Träume zu Alpträumen werden ließ, es ging vielmehr darauf zurück, daß sie im Leib eines fremden Menschen steckte.
    Die Frau wandte sich vom Fenster ab und setzte den Weg nach oben fort, während im flackernden Licht weiterhin das schauerliche Kreischen, Heulen und Flüstern erklang. In den Kalksteinwänden um sie herum pochte ein dumpfer, dreifacher Herzschlag - als sei die Mühle lebendig und verfüge über ein Herz mit drei Kammern.
    Halt, kehr zurück, dort oben erwartet dich der Tod! rief Holly, aber die Frau hörte sie nicht. Holly war nur eine Beobachterin in ihrem eigenen Traum, keine aktive Teilnehmerin. Sie blieb ohne Einfluß auf das Geschehen.
    Schritt für Schritt. Höher.
    Die eisenbeschlagene Tür stand offen.
    Sie trat über die Schwelle, erreichte den hohen Raum.
    Sofort sah sie den Jungen, der erschrocken in der Mitte des Zimmers stand. Er hatte die kleinen Hände an den Seiten zu Fäusten geballt. Vor ihm stand eine dicke Schmuckkerze auf einem blauen Teller. Daneben lag ein Buch - ein gebundenes Buch -, und Holly las das Wort >Mühle< auf dem bunten Schutzumschlag.
    Der Junge drehte sich zu ihr um; Entsetzen glühte in seinen wunderschönen blauen Augen. »Ich habe Angst. Hilf mir. Die Wände, die Wände!«
    Sie stellte fest, daß das Licht in der Kammer nicht nur von der Kerze stammte. Auch die Wände selbst schimmerten, als bestünden sie nicht aus massivem Kalkstein, sondern aus halbtransparentem Quarz, der bernsteinfarben glitzerte. Sie begriff, daß etwas darin lebte, etwas Funkelndes, das ebenso leicht durch festen Stein glitt wie ein Schwimmer durch Wasser.
    Die Wand pulsierte.
    »Es kommt«, sagte der Junge. Seine offensichtliche Furcht vermischte sich mit sonderbarer Aufregung. »Und niemand kann es aufhalten!«
    Plötzlich schob es sich aus der Wand. Die gewölbte Fläche aus Steinen und Mörtel platzte wie die schwammige Membran eines Insekteneies, gab den Blick auf eine weiche, schlammartige Masse frei, in der etwas Gestalt annahm …
    »Nein!«
    Holly schrie und erwachte.
    Sie setzte sich im Bett auf und wich ruckartig zur Seite, als sie eine Berührung spürte. Das Licht des Morgens erhellte den Raum, und sie sah Jim an ihrer Seite.
    Ein Traum. Nur ein Traum.
    Aber wie vor zwei Nächten im Laguna Hills Motor Inn versuchte das Geschöpf des Traums, einen Weg in die reale Welt zu finden. Diesmal kam es nicht durch eine Wand. Es wählte die Decke, direkt über dem Bett. Die weiße Trockenmauer war nicht mehr weiß oder trocken, sondern wies braune und bernsteinfarbene Flecken auf; sie

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