Die Kälte Des Feuers
müssen.«
Jim zögerte.
Holly beantwortete die Frage für ihn. »Die Windmühle.«
Er nickte.
Sie duschten gemeinsam im Gästebad, nur um Zeit zu sparen - und weil sie beide viel zu nervös waren, um allein zu bleiben. In einer anderen Stimmung hätte Holly diese Erfahrung vermutlich als angenehm erotisch empfunden. Angesichts der feurigen Leidenschaft während der vergangenen Nacht erwies sich das Erlebnis aber als überraschend platonisch.
Jim berührte sie erst, als sie die Duschkabine verließen und sich abtrockneten. Er küßte sie auf den Mundwinkel und sagte: »In was habe ich dich da verwickelt, Holly Thorne?«
Später, als Jim rasch einen Koffer packte, ging Holly durch den Flur und betrat das Arbeitszimmer. Offenbar wurde es nicht oft benutzt: Ein dünner Staubfilm bedeckte den Schreibtisch.
Der Raum war ebenso schlicht eingerichtet wie der Rest des Hauses. Der einfache, billige Schreibtisch stammte vermutlich aus dem Ausverkauf eines Büroausstatters. Hinzu kamen zwei Lampen, ein Drehsessel, zwei freistehende Regale mit alten Büchern und ein leerer Arbeitstisch.
In den mehr als zweihundert Büchern ging es ausschließlich um das Thema Religion: historische Darstellungen des Islam, Judaismus, Buddhismus, Zen-Buddhismus, des Christentums, Hinduismus, Taoismus, Schintoismus die Liste war endlos. Holly sah die gesammelten Werke von Martin Luther und des heiligen Thomas von Aquin; Scientists and Their Gods Wissenschaftler und ihre Götter; die Bibel in verschiedenen Versionen: Douai, King James, American Standard; der Koran; die Thora mit dem Alten Testament und dem Talmud; die Tipitake des Hinajana-Buddhismus; das Agama des Hinduismus; das Awesta des Zoroaster und der Weda des Brahmanismus.
Dieser Teil von Jims persönlicher Bibliothek erschien Holly bemerkenswert vollständig und weckte ihre Neugier, doch noch interessanter waren die vielen Fotografien an zwei Wänden. Es handelte sich um 8 X 10-cm-Abzüge, die meisten in Schwarzweiß, nur einige wenige in Farbe, und sie alle stellten drei Personen dar: eine auffallend attraktive Brünette, einen gutaussehenden Mann mit ausdrucksstarkem Gesicht und lichtem Haar, und einen Jungen, der nur Jim Ironheart sein konnte. Jene Augen … Ein Bild zeigte Jim zusammen mit den beiden Erwachsenen - vermutlich seine Eltern -, als er ein Säugling war, in eine Decke gehüllt. Auf den anderen Fotos schien er nicht viel jünger als vier und nie älter als etwa zehn zu sein.
Natürlich, dachte Holly. Als Zehnjähriger wurde er zur Waise.
Jim war nie allein. Entweder leistete ihm sein Vater Gesellschaft, oder die Mutter stand neben ihm; wahrscheinlich hielt das fehlende Elternteil die Kamera. Mehrere Aufnahmen zeigten die Ironhearts zusammen. Im Laufe der Jahre gewann die Schönheit der Mutter eine noch deutlichere Ausprägung. Der Vater verlor noch mehr Haar, schien jedoch immer glücklicher zu werden. Jim nahm sich ein Beispiel an seiner Mutter und sah ständig besser aus.
Häufig bildeten bestimmte Wahrzeichen oder Hinweise darauf den Hintergrund der Fotografien: der sechsjährige Jim und beide Eltern vor der Radio City Music Hall. Jim und sein Vater auf der hölzernen Uferpromenade von Atlantic City, als der Junge etwa vier Jahre alt war. Jim und seine Mutter vor einem Wegweiser zum Nationalpark des Grand Canyon, hinter ihnen ein Panorama der Schlucht. Alle drei Ironhearts vor dem Dornröschenschloß mitten in Disneyland, als Jim sieben oder acht gewesen sein mochte. Beale Street in Memphis. Das im Sonnenschein glitzernde Fontainebleau Hotel in Miami Beach. Eine Beobachtungsplattform, die einen prächtigen Blick auf den Mount Rushmore gewährte. Buckingham Palace in London. Der Eiffelturm. Das Tropicana Hotel in Las Vegas. Die Niagarafälle. Sie schienen überall gewesen zu sein.
Und ganz gleich wer die Kamera hielt oder wo sie sich befanden: sie wirkten immer glücklich. Nie zeigten die Gesichter ein eingefrorenes oder unaufrichtiges Lächeln. Holly hielt vergeblich nach den Mach-das-verdammte-Foto-Mienen Ausschau, die man so häufig in Familienalben sah. Oft lachten die Ironhearts, anstatt nur zu lächeln, und manchmal überraschte sie der Schnappschuß bei irgendwelchen Scherzen. Darüber hinaus gefiel es ihnen anscheinend, sich zu berühren. Sie standen nicht einfach nebeneinander oder posierten steif, sondern umarmten sich, küßten sich auf die Wangen oder brachten mit anderen Gesten Zärtlichkeit zum Ausdruck.
Der Junge auf den Bildern gab durch
Weitere Kostenlose Bücher