Die Kälte Des Feuers
Psychologe wäre vermutlich zu dem Schluß gelangt, daß sie von ihr selbst stammten. Als sich die Staubwolken lichteten, rechnete sie damit, daß sich alles als Halluzination herausstellen würde, als ein besonders detailliertes Trugbild.
Doch das Durcheinander, in dem sie nun standen, war zweifellos real. Das galt auch für den weißen Staub in der Luft.
Jim griff entsetzt nach Hollys Hand und führte sie aus dem Bad. In der Decke des Schlafzimmers zeigte sich kein Loch. Sie war ebenso beschaffen wie am vergangenen Abend: glatt, weiß. Aber die Möbel … Sie bildeten nach wie vor eine Barriere an der Tür, schienen von einer Flutwelle dorthin gespült worden zu sein.
Der Wahnsinn liebte die Finsternis, doch das Licht gab Vernunft den Vorzug. Wenn die wache Welt keinen Schutz vor Alpträumen gewährte, wenn Tageslicht nicht den Schrecken fernhielt, dann gab es nirgends Sicherheit, für niemanden.
2
Eine Sechzig-Watt-Birne hing von einem hohen Balken des Dachbodens, und ihr Licht genügte nicht, um alle Ecken der weiten, staubigen Kammer zu erhellen. Jim schaltete seine Taschenlampe ein und leuchtete in die vielen entlegenen Winkel. Er duckte sich unter Heizungsrohren hinweg, blickte hinter die beiden Schornsteine und suchte … nach dem Etwas, das die Badezimmerdecke zerstört hatte. Abgesehen von der Taschenlampe trug er auch noch einen geladenen und entsicherten Revolver bei sich. Das gräßliche Geschöpf war nicht ins Bad gekrochen - woraus folgte, daß es irgendwo auf dem Dachboden sein mußte. Jims Habe bestand nur aus wenigen Dingen, und deshalb gab es kaum etwas, das er auf dem Dachboden verstaute - was die Anzahl der Versteckmöglichkeiten auf ein Minimum reduzierte. Schon nach kurzer Zeit stellte er fest, daß auf dem Speicher nur Spinnen und Wespen wohnten, die im Gebälk ein wabenartiges Nest gebaut hatten.
Nichts konnte aus dieser Kammer geflohen sein. Abgesehen von der Falltür, durch die er geklettert war, gab es nur zwei denkbare Ausgänge: die Belüftungsöffnungen in den gegenüberliegenden Dachvorsprüngen. Jede von ihnen war sechzig Zentimeter lang und dreißig Zentimeter hoch, und die Gitter davor saßen fest, ließen sich nur mit einem Schraubenzieher entfernen.
Hier und dort bestand der Boden aus Dielen, aber an anderen Stellen lag nur isolierende Glaswolle zwischen den Trägern. Jim balancierte auf den Balken, näherte sich dem Loch in der Badezimmerdecke und starrte nach unten. Deutlich sah er den Schutt, genau dort, wo Holly und er gestanden hatten.
Lieber Himmel, was ist hier geschehen? Schließlich fand er sich damit ab, daß er auf dem Dachboden keine Antworten finden würde. Er kehrte zur Falltür zurück, ließ sich in den Wandschrank des Obergeschosses hinab, klappte die Leiter zurück und schloß die Schranktür.
Holly wartete im Flur auf ihn. »Nun?«
»Nichts«, sagte Jim.
»Das dachte ich mir.«
»Was ist hier passiert?«
»Es war wie im Traum.«
»Welchen Traum meinst du?« erkundigte sich Jim.
»Du hast doch ebenfalls von der Windmühle geträumt, oder?«
»Ja.«
»Dann kennst du sicher den Herzschlag in den Wänden.«
»Nein.«
»Und auch die seltsame Veränderung der Steine.«
»Nein. Um Himmels willen, davon höre ich jetzt zum erstenmal! In meinem Traum bin ich in der hohen Kammer der Windmühle. Vor mir brennt eine Kerze, und Regen prasselt an die Scheiben.«
Holly erinnerte sich daran, wie überrascht Jim gewesen war, als die Schlafzimmerdecke zu glühen begann und sich nach unten wölbte.
»In meinem Traum habe ich das Gefühl, daß etwas kommt, etwas Schreckliches und Grauenhaftes …«
»Der Feind«, sagte Holly.
»Ja! Was auch immer das bedeuten mag. Aber er kommt nie, nicht in meinen Träumen. Ich wache immer vorher auf.«
Jim schritt durch den Flur und betrat das Schlafzimmer. Holly folgte ihm. Neben den beiseite geschobenen Möbeln blieb er stehen und blickte verwirrt zur Decke hoch.
»Ich habe es deutlich gesehen«, sagte er und schien zu fürchten, daß Holly ihn einen Lügner nannte.
»Ja«, erwiderte sie. »Ich auch.«
Er drehte sich zu ihr um und wirkte noch verzweifelter als an Bord der DC-10. »Erzähl mir von deinen Träumen. Ich möchte alles über sie wissen, selbst die unwichtigsten Einzelheiten.«
»Später. Ich schlage vor, wir duschen zuerst und ziehen uns an. Und dann verlassen wir dieses Haus. Hier fühle ich mich nicht mehr wohl.«
»Mir geht es ebenso.«
»Dir dürfte klar sein, welchen Ort wir aufsuchen
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