Die Kälte Des Feuers
Hinblick auf die Mühle und seine Angst vor dem Feind schienen verdunstet zu sein wie Wassertropfen auf einem heißen Bratblech. Jims Wagen auf der emotionalen Achterbahn hatte den bisher höchsten Punkt erreicht.
Nach einer Weile spürte Holly etwas und hob den Kopf. Über der Tür bemerkte sie ein großes Netz, an der Wölbung, wo die Wand zur Decke wurde. Eine dicke Spinne hockte dort, der Körper fingernagelgroß, die Beine so lang wie Hollys kleiner Finger, haarig und häßlich, so dunkel wie ein Tropfen aus geronnenem Blut; gierig saugte sie an dem hellen, zitternden Leib einer gefangenen Motte.
4
Mit Besen, Kehrschaufel, einigen Eimern Wasser, Mop und mehreren Lappen gelang es ihnen innerhalb kurzer Zeit, die hohe Kammer in ein bewohnbares Zimmer zu verwandeln. Jim holte einige Papiertücher aus dem Haus, und damit wischten sie den Schmutz von den Fenstern, die jetzt mehr Licht hereinließen. Holly tötete nicht nur die Spinne über der Tür, sondern sieben weitere. Mit der Taschenlampe leuchtete sie in dunkle Ecken, um ganz sicher zu sein, daß sie alle gefunden hatte.
Nun, in dem großen Raum weiter unten wimmelte es sicher von Spinnen. Holly versuchte, nicht daran zu denken.
Gegen sechs Uhr verblaßte der Tag, doch die Coleman-Laterne erfüllte die Kammer mit angenehmer Helligkeit. Im Schneidersitz saßen sie auf ihren Schlafsäcken, und die große Kühltasche fungierte als Tisch zwischen ihnen. Dort lagen belegte Brötchen sowie Tüten mit Kartoffelchips und Käsekringeln. Hinzu kamen zwei Dosen mit Limonade. Holly hatte auf das Mittagessen verzichtet, aber ihr leerer Magen meldete sich erst, als sie mit der Mahlzeit begannen. Daraufhin wurde sie plötzlich hungriger, als sie es unter diesen Umständen erwartet hätte. Alles schmeckte köstlich, obwohl die Speisen nicht aus einem Gourmet-Laden stammten. Olivenbrot und Käse mit Senf erinnerten sie an den Appetit ihrer Kindheit, an die intensiven Aromen und eine längst vergessene unschuldige Sinnlichkeit der Jugend.
Sie sprachen kaum, während sie aßen. Das Schweigen belastete sie nicht; sie fanden so großen Gefallen an dem Essen, daß ihnen selbst eine besonders geistreiche Konversation keinen zusätzlichen Genuß bereitet hätte. Doch das war nur ein Grund für ihre Stille. Was Holly betraf sie hätte gar nicht gewußt, was sie in dieser bizarren Situation sagen sollte, während sie in der hohen Kammer einer alten Mühle saß und auf die Begegnung mit einer übernatürlichen Wesenheit wartete. Normale Plaudereien schienen unangemessen, eine ernste Diskussion grotesk.
»Ich komme mir irgendwie närrisch vor«, murmelte sie schließlich.
»Ich auch«, gestand Jim ein. »Ein wenig.«
Um sieben Uhr, als sie die Schachtel mit den großen Schokoladekeksen öffneten, fiel Holly plötzlich ein, daß es in der Mühle keine Toilette gab. »Beim Bau der Mühle hätte man auch an ein Badezimmer denken sollen.«
Jim griff nach dem Schlüsselbund und reichte ihn ihr. »Geh ins Haus. Die sanitären Anlagen funktionieren. Du findest das Bad rechts neben der Küche.«
Holly stellte fest, daß Schatten ins Zimmer glitten; das Zwielicht der Abenddämmerung kroch durchs Fenster. Sie legte die Schachtel mit den Keksen beiseite. »Ich sollte besser sofort ins Haus gehen, um zurück zu sein, bevor es ganz dunkel ist.«
»Nur zu.« Jim hob eine Hand wie zum Fahneneid. »Bei allem, was mir heilig ist: Ich schwöre, daß ich dir wenigstens einen Keks übriglasse.«
»Wenn ich zurückkehre und nicht mindestens die halbe Schachtel übrig ist, trete ich dir so sehr in den Hintern, daß du bis nach Svenborg fliegst, um Nachschub zu besorgen.«
»Du nimmst Schokoladekekse sehr ernst.«
»Da hast du verdammt recht.«
Jim lächelte. »Das gefällt mir bei Frauen.«
Holly nahm eine Taschenlampe, stand auf und näherte sich der Tür. »Bring die Laterne in Schwung.«
»Klar. Ich verspreche dir kompromißlose Gemütlichkeit, wenn du zurück bist.«
Als sie die Treppe hinunterging, fürchtete Holly plötzlich, von Jim getrennt zu werden, und ihre Besorgnis wuchs mit jedem Schritt. Sie hatte keine Angst davor, allein zu sein - aber es behagte ihr nicht, Jim sich selbst zu überlassen. Lächerlich, fuhr es ihr durch den Kopf. Er ist ein erwachsener Mann und kann sich weitaus besser verteidigen als viele andere Leute.
Unten in der Mühle war es viel dunkler als vorher. Die spinnwebenverhangenen und schmutzigen Fenster hielten das letzte Licht des sterbenden Tages aus dem
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