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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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von weit auseinanderstehenden Augen oder einem vollen Mund. Vielleicht war ihr Haar nur für kurze Zeit lockig gewesen, nach einem Besuch beim Friseur. Doch die Erwähnung des Schönheitsflecks hätte eigentlich etwas in ihm berühren müssen, selbst fünf Jahre nach dem Tod seiner Großmutter.
    Auch im Haus blieb ein Rest des Gefühls, beobachtet zu werden. Als Holly jetzt Lena Ironhearts Gesicht betrachtete, spürte sie so deutlich einen Blick auf sich ruhen, daß sie abrupt herumwirbelte und durchs Wohnzimmer starrte.
    Nichts. Sie war allein.
    Rasch verließ sie den Raum und sah sich im Flur um.
    Leer.
    Eine dunkle Mahagonitreppe führte ins Obergeschoß. Die geschlossene Staubschicht auf den Pfosten wies keine Spuren von Fingern oder Händen auf.
    Holly spähte nach oben. »Hallo?« rief sie, und ihre Stimme hallte sonderbar dumpf durchs Haus.
    Niemand gab Antwort.
    Zögernd erklomm sie die ersten beiden Stufen.
    »Ist dort jemand?« fragte sie.
    Stille.
    Holly runzelte die Stirn, und auf der dritten Stufe blieb sie stehen, blickte in den Flur zurück, sah dann wieder nach oben.
    Die Stille war unnatürlich, zu absolut. Selbst ein leerstehendes Haus verursachte gewisse Geräusche: das gelegentliche Knarren und Knacken alter Dielen, das leise, kurze Klappern einer lockeren Fensterscheibe, vom Finger des Windes berührt. Doch dieses Gebäude schwieg. Holly hört sich atmen - andernfalls hätte sie vielleicht geglaubt, taub geworden zu sein.
    Noch zwei Stufen. Und wieder verharrte sie.
    Sie glaubte noch immer, beobachtet zu werden. Das alte Haus selbst schien einen unheilvollen Blick auf sie zu richten, als sei es lebendig und sich seiner eigenen Existenz bewußt, als besäße es tausend Augen, verborgen im Holz und in den Mustern der Tapeten.
    Staubflocken schwebten über dem Treppenabsatz.
    Das Zwielicht preßte sein purpurnes Gesicht an die Fensterscheiben.
    Vier weitere Stufen trennten Holly von dem Absatz, und von ihrer derzeitigen Position aus konnte sie nur einen Teil des Obergeschosses sehen. Aus irgendeinem Grund war sie sicher, daß dort oben etwas auf sie wartete. Es mußte nicht unbedingt der Feind sein, nicht einmal etwas Lebendiges und Feindseliges - aber zweifellos handelte es sich um etwas schreckliches, und die Konfrontation damit würde sie zutiefst erschüttern.
    Ihr Puls raste. Als sie schluckte, bildete sich ein Kloß in ihrer Kehle. Keuchend schnappte Holly nach Luft.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden und dicht vor einer ungeheuerlichen Offenbarung zu stehen, wurde so stark und überwältigend, daß sie sich umdrehte und hastig ins Erdgeschoß zurückkehrte. Holly floh nicht Hals über Kopf aus dem Haus - zunächst schaltete sie überall das Licht aus -, aber sie verlor auch keine Zeit.
    Draußen war der Himmel schwarz, wo er sich zu den Bergen im Osten herabsenkte, purpurn und rot dort, wo er die Bergkette im Westen berührte. Dazwischen erstreckte er sich in saphirblauen Tönen. Die goldenen Felder und Hügel nahmen ein blasses Grau an, wie Asche als seien sie verbrannt, während sich Holly im Haus aufhielt.
    Als sie den Hof überquerte und am Schuppen vorbeieilte, gewann sie erneut den Eindruck, von Blicken geradezu durchbohrt zu werden. Furchtsam sah Holly zu dem dunklen Rechteck des Heubodens hinauf, betrachtete kurz die Fenster auf beiden Seiten der roten Doppeltür. Das Gefühl war so unglaublich intensiv, daß es über reinen Instinkt hinausging. Sie glaubte sich in die Rolle eines Versuchstiers gedrängt, aus dessen Kopf Drähte ragten; Wissenschaftler leiteten elektrische Impulse in jene Hirnzentren, die Furchtreflexe steuerten und paranoide Wahnvorstellungen entstehen ließen. Noch nie zuvor hatte sie auf diese Art und Weise empfunden. Sie wußte, daß sie am Abgrund der Panik schwankte, und bemühte sich mit wachsender Verzweiflung, das innere Gleichgewicht zu wahren und nicht in die bodenlose Schlucht nackter Angst zu stürzen.
    Holly lief, als sie den Kiesweg am Teich erreichte. Sie hielt die Taschenlampe wie eine Keule, bereit dazu, mit aller Kraft zuzuschlagen, falls ihr irgend etwas entgegensprang.
    Die Glocken läuteten. Sie atmete mit lautem Zischen, aber trotzdem hörte sie, wie kleine Klöppel an die Innenwände bestens abgestimmter Glocken schlugen.
    Einige Sekunden lang verblüffte es sie, daß diese Phänomen auch außerhalb der Mühle und aus relativ großer Entfernung zu hören war immerhin stand das Gebäude praktisch auf der anderen Seite des Teichs. Dann bemerkte

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