Die Kälte Des Feuers
Der Feind. Wusch. Erbarmungslos schob er sich heran, böse und grausam, strahlte ebenso Kälte aus wie ein Ofen Hitze.
Wusch. Holly war dankbar für ihre Blindheit, denn sie wußte: Das Erscheinungsbild der Wesenheit war so fremdartig und entsetzlich, daß allein sein Anblick tödlich wirkte. Wusch. Etwas berührte sie. Ein feuchter, eiskalter Tentakel. An ihrem Nacken. Ein bleistiftdünner Tentakel. Holly schrie; Kälte kroch ihr über die Haut, bohrte sich in den hinteren Teil des Schädels …
Wusch.
Sie schrie erneut - und erwachte plötzlich. Es folgte keine Phase der Verwirrung. Sie begriff sofort, wo sie sich befand - im Motel, Laguna Hills.
Wusch.
Die Geräusche des Traums begleiteten sie noch immer. Eine große Klinge schnitt durch die Luft, und sie existierte wirklich. Das Zimmer war so kalt wie der pechschwarze Ort in ihrem Alptraum. Vergeblich trachtete sie danach, sich zu bewegen, doch das tonnenschwere Gewicht des Schreckens fesselte sie ans Bett. Sie roch feuchten Kalkstein. Unter ihr - als gebe es riesige Kammern im Kellerbereich des Motels - erklang ein dumpfes Knirschen. Aus irgendeinem Grund wußte sie, daß es von großen Steinen ausging, die übereinanderschabten.
Wusch.
Nach wie vor tastete etwas Gräßliches an Hollys Nacken, kroch ihr in den Kopf und wand sich dort hin und her: ein abscheulicher Parasit, der sie als Wirtskörper gewählt hatte, seine Eier in ihrem Gehirn ablegen wollte. Sie konnte sich noch immer nicht bewegen.
Wusch.
Sie sah nur einige blasse Lichtschäfte an der dunklen Decke - das matte Schimmern der Gartenlampen projizierte die Konturen der Jalousien. Verzweifelt wünschte sie sich, daß es heller würde.
Wusch.
Holly hörte, wie sie entsetzt wimmerte, und verachtete sich gleich darauf so sehr für ihre Schwäche, daß es ihr gelang, die Lähmung abzustreifen. Sie schnappte nach Luft und setzte sich auf. Hob eine Hand zum Nacken, um das glitschige, kalte und wurmartige Etwas fortzureißen. Doch die Finger griffen ins Leere, berührten nur nackte Haut. Sie schwang die Beine über den Bettrand. Griff nach der Lampe. Stieß sie fast um. Fand den Schalter. Licht.
Wusch.
Holly sprang auf und betastete noch einmal die Rückseite ihres Kopfes. Dann den Hals. Zwischen die Schulterblätter. Nichts. Überhaupt nichts. Aber sie fühlte es.
Wusch.
Sie taumelte über die Grenze zur Hysterie und hatte keine Möglichkeit, ins Territorium der Vernunft zurückzukehren. Ihrer Kehle entrangen sich Laute der Angst und des Grauens. Aus den Augenwinkeln sah sie eine Bewegung und drehte sich um. Die Wand hinter dem Bett. Sie schwitzte. Und glänzte. Die ganze Wand wölbte sich ihr entgegen, einer Membran gleich, die dem Druck einer gewaltigen, schrecklichen Masse ausgesetzt war. Sie pulsierte wie das riesige innere Organ in den offenen und dampfenden Gedärmen eines prähistorischen Behemoth.
Wusch.
Holly wich von der feuchten, bösartiglebendigen Wand fort. Wandte sich um. Lief. Mußte das Zimmer verlassen. Schnell. Der Feind. Er kam. War ihr gefolgt. Aus dem Traum in die Wirklichkeit. Die Tür. Verschlossen. Verriegelt. Den Schlüssel drehen. Mit zitternden Händen. Der Feind. Er kam. Er näherte sich. Sicherheitskette aus Messing. Sie rasselte. Löste sich aus der Schiene. Tür. Aufreißen. Etwas wartete auf der Schwelle, füllte die ganze Tür, breiter und größer als Holly, ein Entsetzen, das plötzlich Substanz gewann, gleichzeitig Insekt, Spinne und Reptil, es zitterte und bebte und vibrierte, eine wirre Masse aus Spinnenbeinen, Fühlern, Schlangenschuppen, käferartigen Greifzangen, Facettenaugen, Klauen und einem weit aufgerissenen Rachen, tausend Alpträume, die in dieser einen Monstrosität Ausdruck fanden, aber Holly schlief nicht, sie war wach. Das Wesen sprang durch die offene Tür, packte sie, Schmerz explodierte dort, wo die Klauen über ihre Haut kratzten, und sie schrie …
… kühler Wind, eine nächtliche Brise.
Mehr kam nicht durch die Tür. Das leise Flüstern einer nächtlichen Sommerbrise.
Holly stand vor der Schwelle, schauderte und schnappte nach Luft, blickte erstaunt zur Betonpromenade des Motels. Königspalmen, australischer Baumfarn und andere Pflanzen neigten sich im lauen Wind träge hin und her. Im Pool kräuselte sich die Wasseroberfläche, bildete zahllose, in einem ständigen Wechsel begriffene Muster, die im Licht der Lampen funkelten und glitzerten. Man hätte meinen können, das Schwimmbecken enthielte nicht
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