Die Kälte Des Feuers
gleich, schien zu versuchen, sie langsam in Stücke zu schneiden.
Sie empfand den Lärm als unerträglich. Die entsetzten Stimmen der anderen Passagiere waren nicht einmal das Schlimmste. Das Kreischen des Flugzeugs übertönte sie, als sein stählerner Bauch über den Beton der Piste schabte, als Verbindungsstellen platzten und Metallplatten fortgerissen wurden. Vielleicht hatten Dinosaurier, die in mesozoischen Teergruben versanken, ähnliche Schreie ausgestoßen, doch seit jener Ära gab es nichts auf der Erde, das Schmerz und Pein so ohrenbetäubend deutlich zum Ausdruck bringen konnte. Es handelte sich nicht nur um ein mechanisches Geräusch - es war metallisch und auch lebendig, so gespenstisch und schrecklich, als kreischten alle Bewohner der Hölle, als wimmerten Millionen von gequälten Seelen. Holly rechnete jeden Augenblick damit, daß ihre Trommelfelle rissen.
Sie mißachtete die Anweisungen der Stewards und Stewardessen, sah auf und blickte sich um. Kaskaden aus weißen, gelben und türkisfarbenen Funken stoben an den Fenstern vorbei; es sah aus, als fliege die DC-10 durch ein besonders farbenprächtiges Feuerwerk. Sechs oder sieben Reihen weiter vorn öffnete sich der Rumpf wie die Schale eines Eies, das man an einem Teller aufschlug.
Holly hatte genug gesehen und ließ den Kopf wieder zwischen die Knie sinken.
Zunge und Lippen bewegten sich, aber die Journalistin war in einem solchen Strudel aus Entsetzen gefangen, daß sie die eigenen Worte zunächst nicht verstand. Sie konzentrierte sich auf ihre Stimme und versuchte, den Rest der Kakophonie zu filtern. »Nein, nein, nein, nein, nein, nein …«
Vielleicht verlor sie für einige Sekunden das Bewußtsein. Vielleicht entstand eine mentale Barriere, die ihre Sinne vor einer Überbelastung schützte. Als sie die Aufmerksamkeit wieder nach außen richtete, herrschte plötzliche Stille. Seltsame Gerüche erfüllten die Luft, und Holly bemühte sich vergeblich, sie zu identifizieren. Ein Ende des Chaos - und doch erinnerte sie sich nicht daran, daß die Maschine zur Ruhe gekommen war.
Sie lebte.
Ekstatische Freude durchflutete sie. Holly hob den Kopf und setzte sich auf, holte tief Luft, um laut zu jubeln. Dann sah sie das Feuer.
Die DC-10 überschlug sich nicht. Es hatte sich ausgezahlt, Flugkapitän Delbaugh zu warnen.
Doch Jim wußte, daß die jetzt beginnende Phase ebenso gefährlich war wie die Bruchlandung selbst.
Auf der Steuerbordseite des Flugzeugs lief Treibstoff aus den geplatzten Tanks, und orangefarbene Flammen leckten über die Fenster. Die Maschine schien sich in ein Unterseeboot zu verwandeln, das auf einer fremden Welt durch ein Meer aus Feuer glitt. Einige Fensterscheiben waren gesplittert, und die Glut prasselte durch jene Öffnungen, auch durch den breiten Riß im Rumpf, zwischen der Touristenklasse und dem vorderen Teil der DC-10.
Jim löste den Sicherheitsgurt, erhob sich und beobachtete, wie einige Sitze auf der Steuerbordseite in Brand gerieten. Die Passagiere dort ließen sich auf Hände und Knie fallen, krochen unter den sich rasch ausbreitenden Flammen umher.
Ironheart trat in den Gang, zog Holly von ihrem Platz hoch und umarmte sie. Über ihre Schulter hinweg sah er zu den Dubroweks hin. Mutter und Tochter waren unverletzt, aber Casey weinte.
Er hielt die Hand der Journalistin und suchte nach einer Möglichkeit, das Flugzeug so schnell wie möglich zu verlassen. Rasch wandte er sich dem rückwärtigen Teil der Maschine zu, und für einige Sekunden begriff er nicht, was sich seinen Blicken darbot. Eine amorphe Masse wogte aus dem gräßlich deformierten und halbzerfetzten Heck heran, wie ein gefräßiges Monstrum aus einem Horrorfilm. Das schwarze, wallende Etwas verschlang alles: Sitze, Wände, den Boden, Menschen - Qualm. Doch der Rauch wirkte so dicht und massiv, daß er auf den ersten Blick wie eine Wand aus Öl oder Schlamm aussah.
Im Heckbereich des Flugzeugs drohte der Erstickungstod. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als den vorderen Teil aufzusuchen, trotz des Feuers. Auf der Steuerbordseite knisterten Flammen über den zerrissenen Rumpf und reichten mehrere Meter weit in den Passagierraum. Auf der Backbordseite schien bisher noch keine Gefahr zu bestehen, von der Glut erfaßt zu werden.
»Schnell«, sagte Jim und wandte sich an Christine und Casey, als sie Reihe sechzehn verließen. »Nach vorn. Beeilt euch. Los!«
Andere Reisende aus den ersten sechs Reihen der Touristenklasse versperrten ihnen den
Weitere Kostenlose Bücher