Die Kälte in dir (German Edition)
haben nicht … Also nicht gestern. Arthur war …«
»Nicht in Stimmung?«
»… er hat etwas gesucht«, verbesserte Ela die Andeutung.
Falls sie sich für ihr Verhältnis zu ihrem verheirateten Boss schämte, schaffte es die Schamesröte nicht, die Blässe über den Schock, dass Kristina Bescheid wusste, zu vertreiben. Wieder teilte die durch die Lamellenvorhänge hereinfallende Sonne das Zimmer in dunkle und lichte Streifen.
»Und wonach suchte er?«
»Hat er nicht gesagt. Es war mir immer etwas unangenehm in dieser fremden Wohnung. Von Beginn an«, fügte sie hinzu.
»Seit wann treffen Sie sich dort?«
»Seit zwei Monaten vielleicht. Ich war überrascht, dass Achterberg ihm den Schlüssel überlassen hat. Sie kamen mir nie wie dicke Freunde vor.«
»Dr. Lorenz hat Sie nicht gebeten, ihm beim Durchsuchen der Wohnung zu helfen, und auch nicht erklärt, warum er das tat?«, hakte Kristina nach.
»Er war sehr aufgebracht. Schon seit Tagen. Aber er wollte nicht darüber sprechen.«
»Es wäre hilfreich, wenn wir Ihre Fingerabdrücke nehmen dürften, um sie von den gesicherten Abdrücken ausschließen zu können.«
Ela wirkte betroffen, willigte aber ein.
»Ich frage Sie das jetzt noch einmal: Ist Bruno Schwarz ein Patient von Ihnen?« Die Schärfe in Kristinas Stimme nahm zu.
»Er war nicht im Computer …« Ela Chiumenti sah sie mit ihren Rehaugen an, als erwarte sie den Gnadenschuss aus einer doppelläufigen Schrotflinte.
»… aber es gibt Patienten, die nicht in diesen Akten geführt werden«, vollendete Kristina den Satz der Arzthelferin. »Personen, deren Krankenblätter nur in den Stahlschränken zu finden sind, die Sie am Dienstagmorgen aufgebrochen und durchwühlt vorfanden. War Schwarz’ Akte unter diesen speziellen Patienten?«
»Nicht mehr«, gestand Ela Chiumenti kleinlaut.
»Aber Sie kennen den Mann.«
»Ich habe ihn nie gesehen«, erklärte die Arzthelferin. Ihre dunklen Augen füllten sich mit Tränen. »Herr Schwarz bekam seine eigenen Termine, zu Zeiten, in denen die Praxis geschlossen ist.«
»Warum ist er bei Ihnen in Behandlung? Wissen Sie, was in seinen Unterlagen steht?«
Ela Chiumenti schüttelte den Kopf.
Gleiches galt für Ulrike Sommer, die ebenfalls leugnete, etwas über den Patienten Bruno Schwarz zu wissen. Arthur Lorenz war in diesem Fall sehr deutlich seinen Mitarbeiterinnen gegenüber gewesen.
Kristina hatte genug gehört und verließ die Praxis. Auf dem Weg nach unten rief sie Sampo wegen der Sicherung der Fingerabdrücke an.
»Habt ihr schon was?«, fragte sie ihn.
»Wir sind jetzt in Achterbergs Wohnung. Lass uns noch etwas Zeit«, bat Sampo.
Kristina trennte die Verbindung. Immer noch keine Nachricht von Louise Osswald.
Der nächste Anruf galt Decher. Sie informierte ihn über den vermissten Dr. Lorenz.
»Ich bin unterwegs zu ihm nach Hause«, erklärte sie dem SoKo-Leiter. Im Laufschritt suchte sie den nächsten Taxistand.
Das Taxi erreichte die Panoramastraße auf der Halbhöhe des Stuttgarter Nordens, bevor sie sich zurechtlegen konnte, wer Ilona Piecek die Botschaft überbringen sollte, dass sie nun Witwe war. Sie zahlte, und es kostete sie Überwindung, auf die Quittung zu warten. Den Blick von hier oben über die Stadt blendete sie völlig aus. Mit zwei Sprüngen war sie über der Straße und drückte die Klingel.
Die Ehefrau des Arztes war eine adrette, zarte Person Mitte dreißig, mit einem energischen Zug um die grell geschminkten Lippen. Ihr braunes Haar war streng nach hinten gekämmt und zu einem Dutt aufgesteckt. Das graue, knielange Kleid mit dem hochgeschlossenen Ausschnitt wirkte etwas zu elegant für die Hausarbeit. Sie stellte sich als Martina Lorenz vor.
Im schlaffen Händedruck spürte Kristina die Verzweiflung, die sie hinter der gefassten Fassade verbarg. »Ich suche Ihren Mann«, begann Kristina, nachdem sie sich ausgewiesen hatte.
Es deutete sich keine sichtbare Erleichterung in Martina Lorenz’ Gesichtsausdruck an. Sie standen im Flur des modern und offen gestalteten Hauses, das von Licht durchflutet war. Die Einrichtung war wenig geschmackvoll. Dunkle Möbel, weiße Wände, Eichenparkett und herumliegendes Kinderspielzeug als Farbtupfer.
»Das tue ich auch«, antwortete die Frau. »Trinken Sie einen Espresso?«
Kristina bejahte und folgte der Arztgattin in die beneidenswert große Küche, die mit einer Bar vom Essbereich getrennt war. Es herrschte Unordnung. Gebrauchtes Geschirr, das sich in und um die Spüle stapelte,
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