Die Kälte in dir (German Edition)
summenden Plagegeister, die es auf ihr Blut abgesehen hatten.
»Auf der Ladefläche ist jemand mitverbrannt«, verkündete der Streifenpolizist, doch da war sie schon an ihm vorbei.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Sampo das Telefon zückte. Der Notarzt war der Nächste auf ihrem Weg zu dem verkohlten Wrack.
Der blonde Mann in der grellorangen Schutzweste schüttelte nur den Kopf. »Der Wagen war schon ausgebrannt, als die Feuerwehr eintraf. Da wäre ohnehin nichts mehr zu machen gewesen. Bevor man ihn angezündet hat, wurde dem Mann in den Kopf geschossen«, klärte er sie auf. In seinen hellgrauen Augen spiegelte sich unverkennbare Betroffenheit, die ihn selbst die Stechmücken vergessen ließ, die aufgebracht um ihn herumsurrten.
Kristina nickte und trat zu den Überresten des Lieferfahrzeugs. Die Feuerwehr hatte die seitliche Schiebetür aufgehebelt. In den intensiven chemischen Geruch, den der verbrannte Lack und die verschmorten Plastik- und Gummiteile verströmten, mischte sich nun deutlich der Gestank von verkohltem organischen Gewebe. Derselbe Gestank, der vor knapp einer Woche schon einmal in ihre Schleimhäute gebissen hatte. Kristina musste würgen. Neben ihr sog Sampo scharf Luft ein.
Das Telefon riss Daniel aus einem Traum, von dem nichts als Dunkelheit in seinem Kopf zurückblieb. Er machte eine abrupte Bewegung, und in derselben Sekunde durchzuckte ein beißender Schmerz seine bandagierten Unterschenkel, ähnlich den Muskelkrämpfen, die ihn nachts im Schlaf manchmal ereilten.
Fluchend tastete er nach dem Handy, das vibrierend auf dem Beistelltisch einen Bienentanz vollführte. Er griff danach, weil ihm egal war, in welcher Himmelsrichtung das ergiebigste Blumenmeer mit den dicksten Pollen zu finden war. Die Nummer kannte er nicht, dementsprechend zurückhaltend meldete er sich.
»Hier ist Franka.«
»Wer?«, krächzte er.
Seine Zunge fühlte sich so trocken an, als hätte er mit offenem Mund geschlafen. Erst jetzt bemerkte er, wie durstig er war. Dieser Durst war schon da gewesen, bevor er eingeschlafen war, nur hatte er sich nicht dazu aufraffen können, aufzustehen und zum Kühlschrank zu gehen.
»Aus Achterbergs Labor«, erklärte die Frauenstimme.
Die Erinnerungslücke schloss sich. Er hatte ihr beim letzten Besuch seine Nummer gegeben. Falls ihr noch etwas einfallen sollte. Und so aufgeregt, wie sie klang, war dieser Moment jetzt gekommen.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er, während er sich bemühte, ohne Stöhnen in eine sitzende Position zu gelangen.
»Ich hab Post bekommen«, erklärte die Laborantin. »Von Hannes!«
»Die Kündigung?«, scherzte er, mehr für sich selbst, um irgendwie von dem Schmerz abzulenken.
»Haha«, kam es aus dem Hörer.
»Tut mir leid, ich bin etwas daneben«, gestand er und biss die Zähne zusammen, bevor er die Füße auf den Teppich setzte.
»Alles in Ordnung mit dir?«
Nein.
Nur wollte er sich darüber keineswegs bei der Punklady ausheulen. Es wäre ohnehin viel besser gewesen, sie an Kristina zu verweisen. Doch mit dieser Einsicht erwachte auch die Neugierde.
»Hatte einen harten Einsatz letzte Nacht«, log er. »Aber was war das jetzt mit der Post?«
»Hannes hat mir einen Umschlag geschickt; mit der Bitte, ihn aufzubewahren. In dem Kuvert ist eine von diesen Luftpolsterhüllen. Könnte eine CD drin sein. Es fühlt sich zumindest so an. In dem Schreiben, das er beigefügt hat, bittet er ausdrücklich darum, ich möge es nicht auspacken. Und jetzt wird es gruselig. Falls er nicht wieder auftaucht, soll ich das Päckchen der Polizei übergeben.«
Daniels schmerzende Beine waren vergessen. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er vom Sofa aufgestanden war. »Kam die Sendung heute?«
»Hab sie eben vor zehn Minuten aus meinem Briefkasten gezogen.«
»Wie ist deine Adresse?«, fragte er und fischte einen Kugelschreiber aus dem Stiftebecher auf der Anrichte.
Was sie diktierte, notierte er mit fiebrig zitternder Hand. Danach legte er auf und wählte Kristinas Nummer. Zu seiner Enttäuschung begrüßte ihn die Mailbox.
Miriam Wuppermann kam den Schotterweg hoch und verscheuchte dabei lästige Mücken, die selbst durch ihren Parfümduft hindurch die Verlockung der menschlichen Ausdünstung rochen. Die Blutsauger verschonten niemanden. Kristina verspürte eine gewisse Genugtuung.
Sampo begrüßte die Ärztin so freundlich, wie er es unter den gegebenen Umständen hinbekam. Er wartete ungeduldig auf den Rest seiner Spurensicherer.
»Schon
Weitere Kostenlose Bücher