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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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Display.
Der kann warten
, entschied sie, auch weil in diesem Moment Thorwald Decher auf die Lichtung vor dem Steinbruch einbog. Nachschub für die Million blutdurstiger Mücken.
    Wieder nur die elektronische Stimme, die um eine Nachricht bat. Kristina hatte ihn weggedrückt. Er empfand es als Affront, von ihr ignoriert zu werden, auch wenn sie wegen der Sache mit Worobjow noch sauer war. Vielleicht hätte er nicht einfach aus dem Krankenhaus abhauen sollen. Er hatte keine Ahnung, wie viele Fragen er im Delirium der Schmerzmittel zufriedenstellend beantwortet hatte. Womöglich hatte er Kristina ausreichend darüber informiert, wie er in die missliche Situation geraten war, auf dem Areal von Stuttgart 21 in Beton gegossen zu werden.
    Linnemann erwartete ebenfalls einen ausführlichen Bericht von ihm. Aber er würde seinen Chef wieder enttäuschen müssen. Selbst wenn der Spatz höchstpersönlich den Beton über ihm entleert hatte, konnte Daniel nichts beweisen.
    Je länger er auf den Beinen war, desto erträglicher wurde der Schmerz. Er hatte Franka versprochen, sich augenblicklich um die brisante Zustellung zu kümmern. Im Moment fühlte er sich durchaus in der Lage dazu, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er konnte sich nichts vorwerfen, immerhin hatte er nichts unversucht gelassen, die Kommissarin zu erreichen.
    Die paar Meter zur Stadtbahn würde er bewältigen. Wenn er sich nicht allzu sehr täuschte und soweit er den Stadtplan im Kopf hatte, lag auch Frankas Wohnung nur zwei, drei Fußminuten von einer Haltestelle entfernt. Sollte sie nicht ausgerechnet in einem Altbau ohne Aufzug im sechsten Stock wohnen, konnte er einigermaßen würdevoll dort aufkreuzen.
    Seine Überlegungen hatten ihn bereits in den Flur gebracht, selbst der Schlüssel lag schon in seiner Hand. Da erst wurde ihm bewusst, dass er immer noch die abgesäbelte Jeans trug.
    Der Wechsel der Hose zwang ihn dazu, im Anschluss eine der Schmerztabletten einzuwerfen, die ihm der behandelnde Arzt vorsorglich mitgegeben hatte. Der Mediziner hatte gemahnt, nach der Einnahme nicht mehr am Straßenverkehr teilzunehmen. Daniel nahm an, dass dieser Hinweis nicht auf die Nutzung von Bus und Bahn bezogen war.
    Er brauchte eine Weile, um den Abstieg im Treppenhaus zu bewältigen. Es war nicht der Nanga Parbat, auch wenn es sich zwischenzeitlich so anfühlte. Draußen auf der Straße war das frisch übergezogene T-Shirt schon durchgeschwitzt, aber hier lief es besser, solange das Gelände nicht abfiel. Die Wirkung des Sedativums trat schneller ein als erwartet. In der Stadtbahn war der Schmerz in den Waden kaum mehr vorhanden. Dafür fühlte sich sein Kopf unvermittelt an, als wäre er mit Helium gefüllt.
    Daniel fuhr über den Hauptbahnhof, konnte dort ohne einen weiteren Etagenwechsel umsteigen und kam am Charlottenplatz mithilfe eines Aufzugs problemlos wieder ans Tageslicht. Die Welt um ihn herum war schrecklich hell und unerträglich laut geworden. Autos, Menschen, das Piepsen der Fußgängerampel, die ganze Stadt verursachte einen ohrenbetäubenden Lärm. Die Sonne knallte so grell vom Himmel, dass er kaum sehen konnte, wohin er ging. Wieso nur hatte er seine Sonnenbrille zu Hause liegen lassen?
    Mit Mühe fand er die Straße im Stuttgarter Bohnenviertel und zu seiner Erleichterung auch bald die Hausnummer, noch bevor die Gebäudezeile dem Anstieg der südlichen Kesselflanke folgte. Trotzdem fühlte er sich restlos ausgepumpt, wobei er die meiste Kraft darauf verwenden musste, seine Konzentration beisammenzuhalten. Diese Reaktion auf das Medikament konnte nicht normal sein. Es wäre besser gewesen, den Beipackzettel zu lesen.
    Der Türsummer öffnete drei Sekunden, nachdem er geläutet hatte.
    »Zweiter Stock«, schallte es von oben, was ihm einen weiteren Seufzer entlockte.
    Wie befürchtet, benötigte er länger für die vier Treppenabsätze, als ihm lieb war. Franka wartete vor ihrer Wohnung und betrachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf. Ihre Stachelfrisur hatte an Halt eingebüßt und war im Begriff, gegen die Schwerkraft zu verlieren.
    »Du siehst scheiße aus«, begrüßte sie ihn und machte den Türrahmen frei.
    Franka führte ihn zum Sofa in ihrer Wohnküche und brachte ihm Wasser, das er gierig in sich hineinkippte. Für einen Moment fühlte er sich besser. Er verharrte eine Weile, ohne dass sein Herzschlag sich beruhigte.
    Frankas Reich war wesentlich kleiner als seine Bude und präsentierte sich als ein Sammelsurium an Farben, Kitsch und

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