Die Kälte in dir (German Edition)
Er hat Ihnen nicht abgenommen, dass Herr Wolf ohne Ihr Wissen in der Sache ermittelt hat. Und wenn ich ehrlich bin, tue ich das auch nicht.«
Sie würde den Kopf dafür hinhalten, so wie eine verantwortungsbewusste Vorgesetzte es tun sollte. »Es war nicht abzusehen, wohin das führt«, gestand sie und senkte den Blick.
»Es war vor allem nicht richtig«, korrigierte Retter. »Ich kann nicht darüber hinwegsehen, das wissen Sie. Aber vorerst liegen alle Prioritäten beim Fall. Nur deshalb habe ich noch keine Disziplinarmaßnahmen eingeleitet.«
Damit ließ er sie stehen.
Das Blut wich aus ihrem Gesicht, ihr Magen krampfte sich zusammen. Erneut saß sie auf dem Schleudersitz.
Auf dem Weg zurück ins Büro lief sie nahe an der Wand, für den Fall, dass der Schwindel stärker wurde. Bevor Kristina dort ankam, entdeckte sie Sampo, der vor der Glastür zum Treppenhaus stand und winkte. Seine Haltung machte deutlich, dass etwas geschehen war. Augenblicklich kehrte die Energie in ihren Körper zurück. Sie eilte zu ihm. Er hatte sein mobiles Labor umgehängt.
»Eine Streife hat einen ausgebrannten Lieferwagen gemeldet. In einem stillgelegten Steinbruch unten bei Remseck. Es ist das Modell, das Jakub Piecek fuhr, weshalb ich es mir gleich ansehen möchte. Kommst du mit?«
Sie sah den Flur hoch. In ihrer momentanen Situation wäre es ratsam, sich zumindest bei Decher abzumelden. Doch es war schwierig, ohne ihren Chauffeur hier wegzukommen, falls es nötig wurde. Sie konnte auch von unterwegs Bescheid sagen.
Kristina gab dem Kollegen einen Klaps auf die Schulter und schob sich hinter ihm ins Treppenhaus. Keine Minute später waren sie über die Kreuzung und fuhren am Remsufer entlang Richtung Ludwigsburg.
Die Sonne funkelte auf dem Fluss. Heißer Wind strich durch das offene Fenster über ihre Wangen.
Er lässt uns keine Verschnaufpausen mehr
, dachte Kristina.
Während die Hitze uns alle lähmt, kann sie ihm nichts anhaben
.
Gerade so, als wäre sie seine Verbündete.
Der Steinbruch war nur über eine löchrige Schotterpiste zu erreichen. Das Areal östlich von Neckarrems war seit dem Verfall der Ausbeuterechte vor über dreißig Jahren sich selbst überlassen. Jetzt erwartete sie dort ein Dschungel. Die Natur hatte diesen Ort mit wild wuchernder Gewalt zurückerobert. Durch diesen Anblick und das tropische Klima gewann Kristina den Eindruck, sich in Äquatornähe aufzuhalten. Die senkrecht abfallenden Kalksteinwände des Steinbruchs dienten nun waghalsigen Kletterern zum Training, und der schilfbewachsene See, der sich in den letzten Jahrzehnten in der Grube gebildet hatte, war ein geheimer und gleichwohl abenteuerlicher Ort. Ein Versteck für Liebespärchen oder für jemanden, der sich hier unbeobachtet eines Fahrzeugs entledigen wollte.
Kristina erinnerte sich, dass man vor zwei Jahren ein Auto aus der Tiefe dieses schwarzen Gewässers geborgen hatte. Mitsamt einem damals seit drei Monaten vermissten Rentner, der, wie sich herausstellte, mit seinem Wagen über die Abbruchkante gestürzt war. Die Bergung durch die Feuerwehr war aufwendig gewesen und zu einem Medienereignis geworden.
Der ausgebrannte Lieferwagen bedurfte eines weit weniger spektakulären Einsatzes und würde hoffentlich nicht allzu viele Neugierige anlocken.
Das Fahrzeug war nicht versenkt worden. Es stand verdeckt hinter hohem Buschwerk, nahe dem Schilfdickicht, und war von der mit kniehohem Gras bewachsenen Zufahrt zum Steinbruch aus nicht zu sehen. Ein qualmender, schwarzer Kasten, der nur deshalb nichts um sich herum in Brand gesteckt hatte, weil der morastige Boden der Austrocknung trotzte.
Ein älteres Ehepaar hatte den Wagen entdeckt. Die beiden standen aneinandergedrängt wie die Seniorenversion von Hänsel und Gretel bei einem der Polizeiwagen und warteten darauf, dass jemand sie fragte, was sie am Steinbruchweiher vorgehabt hatten.
»Was macht der Notarzt hier?«, fragte Kristina, und Sampo hob die Schultern.
Eilig sprangen sie aus dem Dienstwagen. Feuchtschwüle Luft umhüllte sie. Binnen Sekunden klebte Kristinas Bluse an ihrem Rücken. Mückenschwärme tanzten über den Köpfen der Einsatzkräfte und unverzüglich auch um den ihren. Sie wedelte vor ihrer Nase herum, aber das beeindruckte die Biester wenig.
Ein Uniformierter kämpfte sich durch das Schilfgras und kam ihnen entgegen. Von irgendwoher knisterte ein Funkgerät. »Ihr braucht wohl das komplette Team«, verkündete er mit ernster Miene.
Kristina vergaß die
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