Die Kälte in dir (German Edition)
Doch woher sollte der Täter wissen, was in den Ermittlungsakten ihres Kollegen stand?
Kristina steckte fest. Immer noch oder schon wieder.
In diesem Moment klingelte ihr Handy. Die Nummer auf dem Display versetzte sie in Erstaunen.
»Ich habe nachgedacht«, erklärte die Stimme. »Und Sie haben recht. Ich sollte die Gelegenheit nutzen, um mich zu verabschieden.«
Sampo entdeckte sie zwischen den Autos. Sie fand keine Kraft, um zurück ins Haus zu gehen. Um irgendwo hinzugehen. Sie wünschte sich eine Welt, in der sie hier sitzen bleiben konnte. Auf diesem von der Sonne aufgeheizten Granitstein, der die Kante des Gehwegs bildete.
Sampo lehnte sich gegen die Motorhaube des Einsatzwagens und sah betroffen auf sie herunter. »Es ist das übliche Muster«, begann er leise zu berichten. »Aber das hast du dir sicher schon gedacht. Wir haben diesmal mehr Chancen, brauchbare Spuren zu finden. Es deutet vieles darauf hin, dass der Täter im Haus übernachtet hat, während er Werner in der Waschküche gefangen hielt. Die Nachbarn sind anscheinend alle im Urlaub, weshalb ihn wohl niemand hat schreien hören. Falls er dazu überhaupt noch in der Lage gewesen ist. Möglicherweise war er sediert. Es gibt keine Hinweise, dass er versucht hat, die Tür aufzubekommen. So schrecklich das auch klingen mag, man kann es ihm eigentlich nur wünschen, nicht bei Bewusstsein gewesen zu sein, wenn man bedenkt, was der Irre mit ihm angestellt hat.«
»Die Wuppermann soll sich beeilen. Das Betäubungsmittel ist womöglich eine Spur, und ich will nicht, dass es sich verflüchtigt.«
»Sie weiß, was auf dem Spiel steht«, erklärte Sampo.
Immerzu nahm er die Ärztin in Schutz oder meinte, sie verteidigen zu müssen.
Kristina schalt sich wegen dieses Anflugs von kindlicher Eifersucht.
»Wie bist du nur darauf gekommen, nach ihm zu sehen?«
Seine Schwiegertochter. Mein Gott, ich habe versprochen, mich zu melden.
Die Frau und vor allem die Enkel warteten immer noch darauf, dass er die Jungs mit auf seinen Anglerausflug nahm. Urplötzlich fühlte sich Kristina noch schlechter. Die Übelkeit fuhr Kettenkarussell in ihrem Magen.
»Wir müssen herausfinden, wieso er ihm aufgemacht hat«, sagte sie.
»Ob Sie sich weiter darüber den Kopf zerbrechen werden, stelle ich infrage«, drohte Thorwald Decher plötzlich in ihrem Rücken. »Ich kann niemanden im Team gebrauchen, auf den kein Verlass ist und der meint, sich mit Alleingängen profilieren zu müssen.«
Die Drohung brachte sie auf die Beine. Der SoKo-Leiter hatte sein Sakko abgelegt und die Ärmel seines gestärkten Hemds hochgekrempelt. Doch er schwitzte noch nicht genug, um den Krawattenknoten zu lockern.
Das kommt noch, dafür sorge ich.
Er war nur unwesentlich größer als sie.
Zornentbrannt funkelte sie ihn an. »Wer von uns beiden hat Werner Finckh gefunden?«, fauchte sie.
»Damit könnten Sie sich brüsten, wenn er noch leben würde!«, konterte er.
Ja, verdammt, sie war zu spät gewesen, aber ohne sie hätte man sich vielleicht erst nächste Woche gefragt, wo der Kollege steckte. Nämlich dann, wenn er nach dem Urlaub nicht zum Dienst erschienen wäre. Keiner war diesem irrsinnigen Mörder je näher gekommen. Der Täter hatte nur wenige Stunden Vorsprung. Sie waren ihm auf den Fersen. Auch wenn der Preis dafür viel zu hoch war und in der Seele brannte wie ein glühendes Stück Eisen.
»Sie konnten diesen Mord ebenfalls nicht verhindern, Hauptkommissar Decher.«
Er bleckte die Zähne unter seinem akkurat gestutzten Schnauzer. »Weil ich so viel Zeit darauf verschwenden musste, mich durch Ihre schlampig geführten Ermittlungsakten zu arbeiten. Deshalb laufen wir diesem Mörder immer noch hinterher«, warf er ihr lautstark vor. »Nachdem ein Kollege von Ihnen zum Opfer wurde, werde ich Polizeidirektor Retter empfehlen, Sie wegen Befangenheit von diesem Fall abzuziehen.«
Er drehte sich um und ließ sie stehen. Sprachlos starrte sie ihm nach.
Daniel fand die Stelle, von der aus die zwielichtige Gestalt in der Nacht das Wohnhaus von Achterberg beobachtet hatte. Er könnte die Labormaus ein weiteres Mal befragen, aber er versprach sich kaum weitere Informationen davon. Sie hatte auf ihn nicht den Eindruck gemacht, etwas zu verschweigen. Ihre Behauptung, nicht zu wissen, wo ihr Chef steckte, klang glaubhaft. Es gab Dinge, die man besser geheim hielt, vor seinen Angestellten und vor dem Rest der Welt.
Wenn Daniel daran dachte, wer ebenfalls ein Auge auf Achterberg geworfen
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