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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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hervor, ließ die freie Hand mit lautem Krachen auf den Tisch niedersausen und stemmt sich ächzend hoch.
    Ich rührte mich nicht. Stattdessen begegnete ich gelassen seinem zornigen Blick und erwiderte nur: »Du bist davongerannt.«
    Er zuckte zurück und verzog das Gesicht, als hätte ich ihn geschlagen. Das Drahtgestell der Brille auf seiner Nase rutschte zur Seite. Seine bleiche Haut erschlaffte.
    Ich durchquerte das Zimmer, legte die Hände flach auf den Tisch, wobei ich den klebrigen verschütteten Wein unter den Fingern spürte, und beugte mich zu Borund vor. Seine Augen weiteten sich; seine Wut war mit einem Mal verflogen. Sein Atem stank nach schalem Wein, und er roch nach säuerlichem Schweiß. Er wirkte zehn Jahre älter, als er war.
    »Ich war dabei«, spie ich ihm entgegen und ließ all den Zorn, den ich damals verspürt hatte, in meiner Stimme mitschwingen. »Ich habe durch deine Augen beobachtet, wie die Schiffe der Chorl die Docks rammten. Ich habe gesehen, wie William in den Schlachtruf mit einstimmte und die Männer Amenkorsüber die Barrikade führte, um sich den Chorl-Kriegern entgegenzustemmen. Ich habe beobachtet, wie du dagestanden und vor dich hingestarrt hast, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Ich habe gespürt, wie dein Herz verzagte. Und ich habe mit angesehen, wie du weggerannt bist und William den Chorl überlassen hast.«
    Erschrecken erschien auf Borunds Gesicht. Seine Augen weiteten sich noch mehr. Sein Mund öffnete und schloss sich. »Ich …«, setzte er an.
    Ich konnte seinen Puls am Hals und in einer Ader auf der Stirn sehen. Eine dünne Schweißschicht schimmerte auf seiner Haut. Sein Blick zuckte zur Seite, huschte panisch durchs Zimmer und richtete sich dann wieder auf mich.
    »Oh, ihr Götter«, flüsterte er und sank auf seinen Stuhl. Tränen strömten ihm übers Gesicht, und sein Körper zitterte vor lautlosen Schluchzern. »Ich konnte nicht anders«, stammelte er mit erstickter Stimme. »Wirklich, ich konnte nicht anders. Ich habe versucht, umzukehren, rannte aber weiter. Dabei wusste ich nicht einmal, wohin ich lief!« Er verzog das Gesicht. »Es tut mir leid, Varis, schrecklich leid.«
    Ich stieß mich vom Schreibpult ab und wich zurück. Durch die Bewegung kullerte eine auf der Seite liegende Flasche umher. Ich starrte darauf und dachte an William und daran, was Borunds Feigheit ihm angetan hatte. Schließlich ließ ich den Blick über den Rest der im Zimmer liegenden Flaschen schweifen, ehe ich an eines der verdunkelten Fenster trat. Die Rollläden, die von hinten vom Sonnenlicht erhellt wurden, glühten tiefrot. »Dann unternimm etwas«, sagte ich.
    Borunds Schluchzen verstummte. »Ich kann nicht«, stieß er hitzig hervor, voller Zorn auf sich selbst. Seine Stimme klang heiser und verschleimt. »Der Angriff ist vorbei. Ich kann es nicht mehr ändern.«
    »Du kannst nicht ändern, was geschehen ist, das ist wahr«, pflichtete ich ihm bei und griff nach oben, um den Rollladenaufzuziehen. Grelles Sonnenlicht flutete ins Zimmer, und Borund kniff die rot geränderten Augen zusammen und sog zischend den Atem ein. Ich schenkte dem keine Beachtung und ging zu den anderen Fenstern, zog auch dort die Rollläden auf und öffnete die Fenster, um frische Luft hereinzulassen, die nach Frühling und Meersalz roch.
    Dann drehte ich mich zu Borund um, die Hände in die Hüften gestemmt. »Aber du kannst versuchen, Wiedergutmachung zu leisten«, sagte ich. »Für mich. Für Amenkor, denn die Stadt braucht dich jetzt mehr als vor der Ankunft der Chorl. Aber vor allem für William.«
    Schuldgefühle spiegelten sich auf Borunds Gesicht, und er sank tiefer in den Stuhl. »William …«, flüsterte er.
    Ich trat einen Schritt vor und zögerte. Zwar verspürte ich nicht mehr die siedende Wut über seine Feigheit, trotzdem war ich noch immer zornig. Und es bedurfte mehr als ein paar Tränen und einiger Worte des Bedauerns, um daran etwas zu ändern. Genauso wie William würde es auch mir nicht leichtfallen, Borund zu verzeihen.
    »Du hast ihn verloren, Borund.«
    Der Händler starrte mich offenen Mundes an. Mit einer erhobenen Hand schirmte er die Augen vor dem grellen Sonnenlicht ab. »W-wie?«, stammelte er. »Wie kann ich Wiedergutmachung leisten? Es gibt nichts, was ich tun …«
    »Du kannst Schiffe bauen«, schnitt ich ihm das Wort ab. »Viele Schiffe.«

    »Nun, da der Kai wieder aufgebaut ist, können wir uns voll und ganz den Instandsetzungsarbeiten an den verbliebenen Schiffen

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