Die Kaempferin
gebraucht, um gegen die Ochea zu kämpfen.
Doch William wollte keine vernünftige Begründung. Er wollte wissen, weshalb Borund ihn verraten und zurückgelassen hatte.
Ich seufzte tief und verdrängte die eigene Wut auf Borund.
»Er konnte nicht bleiben, William. Er konnte es einfach nicht. Seine Angst war zu groß. Er hat aufrichtig versucht, zu bleiben und zu kämpfen, aber die Furcht war stärker. Ich konnte es spüren.«
Eine Weile begegnete William meinem Blick. Als ich die Hand ausstreckte, um ihn am Arm zu berühren, wich er zurück.
Ich senkte die Hand, und die Geste ließ ihn zusammenzucken. »Es tut mir leid, Varis«, sagte er, »aber …« Er neigte den Kopf, löste mit sichtlicher Mühe die Anspannung in seinen Schultern und sah mich wieder an. »Wie geht es Erick?«
Ich erstarrte, und er musste mir die Antwort an den Augen abgelesen haben, denn diesmal griff er nach mir. Ich ließ zu, dass er mich an sich zog und mich festhielt. Ich atmete densauberen Duft seines Hemds ein und roch im Fluss frisches Stroh.
»Sein Zustand bessert sich nicht«, sagte ich und war überrascht, wie belegt meine Stimme klang. »Weder Eryn noch ich können etwas für ihn tun.«
»Was ist mit Isaiah?«
Ich schüttelte den Kopf und lehnte ihn kurz an Varis’ Schulter; dann löste ich mich von ihm, obwohl seine Wärme tröstlich war. »Isaiah hat getan, was in seiner Macht steht, aber bei diesem Leiden kann er nicht helfen.«
William legte die Stirn in Falten. »Und auch du nicht?«
Ich lachte bitter auf. »Ich kann es nicht einmal erspüren.«
Auf der gegenüberliegenden Seite des Saals öffnete sich eine Tür, und drei weitere Lehrlinge betraten den Raum. Ihre Stimmen hallten durch die staubige Stille. William wich einen Schritt von mir zurück, brachte Abstand zwischen uns. Das Gefühl gegenseitiger Nähe zerbrach.
Während die Lehrlinge weitergingen, fragte William: »Was wirst du unternehmen?«
»Ich weiß es nicht.« Ich dachte an Ottul, zögerte und überlegte, ob ich ihm von ihr erzählen sollte. Aber ich hatte sie in den oberen Palast verlegen lassen. Die Kunde würde sich schon bald verbreiten. »Wir konnten bei dem Angriff mehrere Chorl gefangen nehmen, darunter eine der Begabten. Ich hoffe, dass wir von ihr erfahren, wie Erick zu heilen ist.«
Williams Augen weiteten sich, doch bevor er mir Fragen über Ottul stellen konnte, erkundigte ich mich: »Wo ist Borund?«
Williams Zorn kehrte binnen eines Lidschlags zurück. »Er hat seit dem Angriff das Haus und sein Arbeitszimmer nicht mehr verlassen. Dabei arbeitet er gar nicht. Er tut überhaupt nichts, außer zu trinken. Ich habe ihn noch nie so erlebt.«
Ich schauderte, denn ich kannte dieses Verhalten. Dasselbe hatte Borund getan, nachdem William niedergestochen worden war und wir nicht wussten, ob er überleben würde. Damals hatteer sich in seinem Arbeitszimmer eingesperrt und bis zur Besinnungslosigkeit getrunken.
Bis ich den Vorschlag unterbreitet hatte, Carl für ihn zu töten.
Ich zuckte zusammen.
»Er braucht etwas zu tun«, meinte ich. »Er muss wieder das Gefühl bekommen, nützlich zu sein.«
»Und was soll er tun?«
Ich zuckte mit den Schultern und ließ erneut einen Teil meines Zorns durchschimmern. »Ich weiß es noch nicht, aber er könnte sich für die Gilde stark machen. Wir können es uns nicht leisten, dass die Gilde in die Knie geht, weil Borund in Selbstmitleid ertrinkt. Ich brauche ihn – Amenkor braucht ihn. Er ist einer der wenigen noch verbliebenen Menschen der Stadt, die Macht besitzen. Aber wenn er uns eine Hilfe sein soll, muss er sich den Leuten zeigen, und er muss gefestigt sein.«
William schaute zum Tisch und zu den Pergamenten, an denen er gearbeitet hatte. »Wie wäre es mit Schiffen?«
»Was meinst du damit?«
»Wir haben den Großteil unserer Handelsschiffe an die Chorl verloren, zuerst bei ihren Überfällen auf die Handelsrouten, dann beim Angriff auf die Stadt. Regin beschwert sich in letzter Zeit unablässig darüber, dass die Gilde kaum etwas unternehmen kann, wenn wir keine Schiffe haben, um Handel zu treiben. Auf die Straßen können wir uns nicht verlassen. Der Transport über den Landweg dauert zu lange. Warum lässt du Borund nicht neue Schiffe als Ersatz für jene bauen, die wir verloren haben? Er kann sogar bei der Beschaffung der Gelder helfen. Ich kenne seine Bücher und weiß, wie reich er ist. Wahrscheinlich kann er die Mittel für mindestens fünf Schiffe aufbringen, je nach Größe
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