Die Kaempferin
waren. Fackellicht flackerte orangefarben auf den Wellen und zog eine Feuerspur vom Strand bis zu dem schwarzen Schiff, das im Meeresarm verborgen lag. In einer Brise, die von der See herüberwehte, lagder Geruch von Salz und Seetang, und die Bäume jenseits des Sands rauschten.
Westen nickte zufrieden, begab sich zum nächstbesten Stein, setzte sich darauf und leerte das Wasser aus seinen Stiefeln, bevor er sie zum Trocknen beiseitestellte.
Ich zog mich aus dem Feuer zurück, da ich wieder jenen Widerstand spürte, dem ich zum ersten Mal begegnet war, als ich versucht hatte, mein Bewusstsein zu Erick zu entsenden. Ich durchdrang den Schleier, bediente mich eines Teils der Kraft, die Marielle mir zuführte, erhob mich hoch in die Lüfte, hielt Ausschau nach dem Feuer, das in Amenkor in mir brannte, und schwebte nordwärts.
Japsend kehrte ich in meinen Körper zurück und spürte, wie das Zittern in meinen Armen begann, noch bevor ich den ersten richtigen Atemzug tun konnte. Ich stieß einen leisen Fluch aus und fühlte, wie Marielle die Leitung auflöste, die sie verwendet hatte, um eine Verbindung zu mir herzustellen.
»Regentin?«, fragte Marielle und beugte sich zu mir, obwohl ich auch in ihrer Stimme Schwäche hören konnte. Ihre Finger legten sich über meine im Schoß ruhenden Hände.
»Es …« Mit trockener Kehle schluckte ich. »Es geht mir gut.«
Marielle drehte sich auf ihrem Sitzplatz auf dem Podium im Thronsaal herum und griff nach einem Tablett mit einem Krug voll sonnengereiftem Tee und zwei Gläsern. Ich lehnte mich an den gesprungenen Thron hinter mir und ließ das Zittern in Wellen über mich hinwegziehen.
Den ersten Versuch, mein Bewusstsein zu Westen zu entsenden, hatte ich am Morgen nach dem Aufbruch des Schiffes aus dem Hafen unternommen. Im Verlauf der Nacht war es der Preis gelungen, eine beträchtliche Strecke entlang der Küste zurückzulegen, doch dann hatte der Wind gedreht und die Fahrt des Schiffes verlangsamt.
Die Entsendung des Bewusstseins war schwierig gewesen, weit schwieriger als damals mithilfe des Geisterthrones. DasUnterfangen hatte mich so sehr ausgelaugt, dass es fast eine Stunde dauerte, bis ich mich erheben und den Thronsaal verlassen konnte. Eryn hatte mich darauf hingewiesen, dass ich dabei nicht mehr auf dem Thron sitzen musste, aber ich hatte nahezu alle vorherigen Bewusstseinsentsendungen über weite Strecken auf dem Thron unternommen, weil er sie vereinfacht hatte. Irgendwie fühlte es sich falsch an, sich nicht in diesem Raum aufzuhalten und den festen Stein unter mir zu spüren, während ich meinen Geist aus der Stadt schickte – auch wenn der Thron nun tot war.
Am nächsten Tag hatte ich es erneut versucht, und die Auswirkungen waren noch schlimmer gewesen, weil sich Westen bis dahin weiter die Küste entlang entfernt hatte. Danach glaubte ich nicht mehr, dass ich in der Lage sein würde, ihn zu erreichen.
Ich war sicher, warten zu müssen, bis er zurückkehrte, um Neuigkeiten zu erfahren. Dann aber hatte Marielle vorgeschlagen, mittels der Leitungen eine Verbindung mit mir einzugehen, um ihre Kraft mit mir zu teilen, wie Gwenn es im Garten mit ihr gemacht hatte. Seither war es wesentlich einfacher, mein Bewusstsein auszuschicken.
Ich hob die Hand und beobachtete, wie sie vor Anstrengung zitterte; dann ließ ich sie wieder auf den Schoß sinken.
»Ich weiß nicht, wie lange es uns noch gelingen wird, mit Westen in Verbindung zu treten«, sagte ich mit müder Stimme.
»Warum?« Marielle reichte mir eine Tasse Tee. Es gelang mir, daraus zu trinken, ohne einen Tropfen zu verschütten.
»Obwohl deine Kraft die meine ergänzt, werden die Auswirkungen der Bewusstseinsentsendung schlimmer. Bald werden wir Westen nicht mehr erreichen können.«
»Wir könnten Trielle in unsere Verbindung mit einbeziehen.«
Marielle schien überzeugt, dass es klappen würde, doch ich hatte meine Zweifel.
»Es muss eine Grenze geben, Marielle«, sagte ich. »Wir könnennicht alle neunundzwanzig Begabten nur für eine Bewusstseinsentsendung zusammenspannen.«
»Wieso nicht? Wir wissen, dass es mit mindestens fünf Begabten kein Problem ist. Warum sollte es nicht mit mehr gehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Abgesehen davon, dass es unpraktisch ist, glaube ich, dass ab einem gewissen Punkt das Hinzufügen einer weiteren Begabten die Kraft nicht mehr wesentlich steigert.«
Marielle zuckte mit den Schultern. »Vielleicht habt Ihr recht. Wir haben noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher