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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Jedenfalls verblieb somit die Entscheidung darüber, was mit den Thronen geschehen sollte, bei denjenigen, von denen die Sieben tot in der Ratskammer aufgefunden wurden. Die Absicht der Sieben war klar: Sie hatten die Throne erschaffen, um die Küste vor möglichen Angriffen der Chorl zu schützen, die man zu jenem Zeitpunkt zurückgeschlagen hatte und die über das westliche Meer verschwunden waren. Man ging jedoch davon aus, dass sie zurückkehren würden. Hier, ich habe Euch das Tagebuch von Patris Armanic mitgebracht, der zu jener Zeit der Fürst von Amenkor gewesen ist.«
    »Fürst von Amenkor?«, fragte ich, als Avrell eine schwere Schriftrolle aus der Tasche hervorholte. Er zog den kleinen Tisch, auf dem Marielle zuvor das Tablett abgestellt hatte, an das Sofa heran. »Amenkor hatte einen Fürsten?«
    Avrell lächelte. »Vergesst nicht – wir reden von einer Zeit, bevor es den Geisterthron gab. Amenkor hatte viele Fürsten – und Fürstinnen –, bevor der Thron eintraf. Genauer gesagt hatten wir einen Rat, ähnlich wie jetzt Venitte. Aber die Ankunft des Geisterthrones hat das alles verändert. Natürlich nicht über Nacht, doch im Lauf der Jahre wurde die Regentin über den Geisterthron zur höchsten Macht in Amenkor. Die Fürsten und Fürstinnen schwanden, bis es nur noch den Oberhofmarschall und die Oberhäupter der Gilden gab, deren mächtigstevon jeher die Händlergilde war. All das geschah, weil es einer der Regentinnen – ich glaube, es war Torlette – gelungen war, sich und Fürst Rathe die Unterstützung der Garde zu sichern, während die übrigen Fürsten und Fürstinnen geschwächt waren. Dadurch wurden die letzten Verbindungen zum Ratsgefüge praktisch durchtrennt.«
    Er breitete die Schriftrolle auf dem Tisch aus, wobei er mit dem trockenen, vergilbten Pergament äußerst sorgsam umging. Dennoch bröckelten von den Rändern Flocken ab, und Staubgeruch breitete sich aus.
    Über den Bogen gebeugt, ließ Avrell den Blick mit zusammengekniffenen Augen über die sehr feine Schrift wandern. Schließlich sagte er: »Hier.«
    Ich beugte mich vor. Zuerst erschien mir das Gewirr der schwarzen Zeilen auf der Seite als völlig unleserliche Ansammlung geschwungener Striche. Dann aber erkannte ich einige Buchstaben und stellte fest, dass sie in die Länge gezogen und nach rechts geneigt waren, als wären sie gestreckt und ausgedünnt worden. Außerdem wies eine beträchtliche Anzahl der Wörter eine andere Schreibweise auf.
    Zwar hatte ich Mühe mit der eigenartigen Schrift, doch je weiter ich kam, desto aufgeregter wurde ich. Ich las: »Rückkehr aus Venitte. Nach siebenundvierzig Tagen voll hitzigen Streitgesprächen sind die erhabenen Vertreter der Küste von Frigea – darunter Fürst Wence von Venitte, Fürst Barton von Sedine, Fürstin Corring von Merrell und Fürst Iain von Langdon – zu dem Schluss gelangt, dass der Rat der Sieben die beiden Throne für Amenkor und Venitte vorgesehen hatte, zumal die beiden Städte in der Mitte der Küste liegen und die Hauptziele für einen Chorl-Angriff darstellen. Gemäß dieser Vereinbarung haben mich Regentin Susquill und der Granitthron bei meiner Rückkehr begleitet, während der Steinthron unter Regent Tyrrones Herrschaft in Venitte verblieb. Regentin Susquill hat sich mit dem Thron innerhalb der Mauern des Palasts niedergelassen,und ihre Gegenwart sowie die des Thrones machen sich bereits bemerkbar.«
    Avrell räusperte sich und fiel mir ins Wort. »Im Folgenden wird beschrieben, wie der Rat hier in Amenkor sich bei der Ankunft Susquills verhielt. Sie wurde nicht gerade willkommen geheißen. Patris’ Bericht zufolge war sie eine starke, aber verbitterte Frau mit einer entsprechenden Zunge. Im Wesentlichen war sie die erste Regentin von Amenkor.«
    »Was ist mit Tyrrone und dem Steinthron?«
    »Anscheinend brach in Venitte ein gewaltiger politischer Krieg aus, da die Fürsten und Fürstinnen in dem Leerraum, der durch den Verlust des Rates der Sieben entstand, um die Macht kämpften – um Ränge und um die Herrschaft über den Steinthron. Tyrrone war kein Politiker – das waren damals die wenigsten Begabten, denn der Rat der Sieben, die Adepten, hatte über die Küste geherrscht. Inmitten der Tumulte und der Umwälzungen … verschwanden er und der Steinthron.«
    »Sie verschwanden?«, fragte ich ungläubig. Ich dachte an den Geisterthron im Thronsaal. »Wie konnte der Thron verschwinden? Er ist aus Stein, und es wären zehn Männer nötig gewesen, um

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