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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Atem holte und sich zu fangen schien.
    Sie lächelte, als sie sich aufrichtete, doch ihre Miene wirkte verkniffen. »Ich dachte, es würde besser«, sagte sie mit matter, heiserer Stimme. »Einen solchen Anfall hatte ich schon seit mehr als einer Woche nicht.«
    »Vielleicht wird es wirklich besser.«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Schau.«
    Eryn streckte die Hand aus, mit der sie den Mund bedeckt hatte. Sie war voller Blut.
    Panik erfasste mich, sandte ein Kribbeln durch meine Arme und Finger und griff nach meinem Herzen.
    »Du musst Isaiah aufsuchen«, sagte ich.
    »Nein«, entgegnete Eryn, noch immer das verkniffene Lächeln auf den Lippen. »Er kann nichts tun. Das weißt du doch, Varis. Wir haben es bereits versucht.«
    Sie löste sich von mir. Ich wollte sie nicht loslassen; meine Hand weigerte sich.
    Eryn begegnete meinem Blick mit gelassener Miene. Sie hatte sich damit abgefunden, was das Blut in ihrer Hand bedeutete.
    Ich zwang meine Hand, ihren Oberarm loszulassen, und trat zurück. Mit einem Mal war mir bitterkalt.
    »Also«, sagte Eryn mit brechender Stimme. »Lass uns nach Westen sehen.«
    Ich rührte mich nicht, bis Eryn die Hälfte des Weges zum Podium mit dem Thron zurückgelegt hatte. Dann erst folgte ich ihr langsam und unsicher. Die Taubheit und das Gefühl der Ferne blieben.
    Ich ließ mich auf den gesprungenen Thron sinken. »Solltest du nicht lieber …«
    »Es geht mir gut, Varis.« Streng, kraftvoll, gebieterisch. Die Stimme der Regentin.
    Es hätte mich trösten müssen, doch so war es nicht.
    »Es gibt einen weiteren Grund, der für die Annahme spricht, dass der Thron sich immer noch in Venitte befindet«, sagte Eryn.
    Ich wusste, die Äußerung sollte mich von den Blutspritzern in ihrer Hand ablenken.
    Als unsere Blicke sich begegneten, erkannte Eryn, dass ich sie durchschaut hatte, doch auf ihren Zügen lag die stumme Bitte, es hinzunehmen und weiterzumachen.
    Ich holte tief Luft. Ich war nicht vollends bereit, mich zu fügen, tat es dann aber doch. »Welchen Grund?«, fragte ich.
    Eryn nickte. »Denk an die zwei Throne und an die Vereinbarung zwischen Amenkor und Venitte. Seit die Throne geschaffen wurden, sind die beiden Städte miteinander verbunden. Abmachungen wurden selbst dann eingehalten, wenn die Städte Meinungsverschiedenheiten hatten.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Dass selbst dann, wenn die Städte im Krieg miteinander lagen – wegen Handelsrechten zum Beispiel oder wegen Landansprüchen –, weibliche Begabte stets zur Ausbildung nach Amenkor geschickt wurden, und männliche nach Venitte. Warum? Und wenn wir schon dabei sind – wieso gibt es überhaupt diese Trennung zwischen den Geschlechtern? Warum werden Frauen hierhergeschickt und Männer nach Venitte?«
    Ich runzelte die Stirn. »Keine Ahnung.«
    Eryn ging hinter dem Thron auf und ab. »Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, aber nachdem du mir erzählt hattest, worauf Avrell in den Archiven gestoßen ist, fing ich an zu überlegen. Wir hatten nie einen Regenten von Amenkor, immer eine Regentin. Warum? Wenn Männer den Geisterthron berühren, sterben sie, ob sie nun Begabte sind oder nicht. Ich glaube, die beiden Throne sind irgendwie geteilt, zwei Hälften eines Ganzen, die eine Hälfte weiblich, die andere männlich. Ich nehme an, dass Amenkor die weibliche Hälfte des Thrones bekam und dass die weiblichen Begabten deshalb zur Ausbildung hierhergeschickt werden …«
    »Und die männlichen Begabten, wie Brandan Vard zum Beispiel, werden immer noch in Venitte ausgebildet«, führte ich denGedanken fort. »Und das bedeutet, dass der Thron nach wie vor dort ist.«
    Eryn nickte. »Ich kann nicht glauben, dass er einfach verschwunden ist. Er muss immer noch verwendet werden, nur nicht so offen, wie es hier in Amenkor der Fall war. Es würde mich nicht überraschen, wenn Brandan Vard haargenau wüsste, wo sich der zweite Thron befindet.«
    Ich dachte an Brandans dunkelblondes Haar, an seine Augen … und daran, wie er gezögert hatte, bevor er meine Fragen über die wahren Diener von Venitte beantwortete. Warum? Vielleicht, weil er etwas zu verbergen hatte. Das würde erklären, weshalb sich alles, was er gesagt hatte, wie eine Lüge anfühlte – oder eher wie eine Halbwahrheit, als würde er etwas verschweigen.
    Vermutlich hatten William und Keven recht. Vermutlich waren die Begegnungen, die ich mit Brandan seit dessen Ankunft gehabt hatte, kein Zufall gewesen.
    »Also«, meinte Eryn und lenkte meine

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