Die Kaempferin
durchquerte den Hain, bevor sich jemand anders auch nur gerührt hatte. »Berichte.«
Der Gardist hielt sich mit einer Hand die Seite. »Temall wird angegriffen«, keuchte er und zuckte zusammen. »Von den Chorl.«
Adrenalin flutete durch Westens Körper, als er Befehle erteilte und dem Sucher Tomus bedeutete, zu ihm zu kommen. Das Feuer wurde gelöscht; gebratene Kaninchen wurden von den Spießen gezogen und verstaut. Binnen zehn Minuten war der Hain geräumt.
Rasch bewegten die Männer sich nordwärts und in schrägem Winkel durch die Rinnen und Gräben des Geländes. Sie folgten dem Gardisten, der die Warnung überbracht hatte.
Ein Gefühl äußerster Dringlichkeit durchströmte Westen und kribbelte in seinem Blut, als die Gruppe platschend durch einen Bach lief und dann eine Erhebung erklomm.
Dann verlangsamte der vorderste Mann seine Schritte.
Westen hob eine Hand und hielt inne. Die Gruppe der vierzig Gardisten und Sucher kam hinter ihm zum Stehen. Die meisten keuchten von der unverhofften Anstrengung.
Der Gardist, der vorausgeeilt war, kletterte eine weitere Anhöhe hinauf und deutete mit dem Arm.
Auf der entfernten Seite des niedrigen Hügels fiel das Gelände zu verstreut liegenden Feldern und einigen als Windschutz dienenden Baumreihen sowie Trampelpfaden ab, die dazwischen verliefen. Dahinter stieg das Gelände wieder an. Hütten waren zu sehen, und Steinmauern, nur halb so hoch wie in Amenkor. Ein mindestens anderthalb Meter tiefer Graben war rings um das Gelände gegraben worden. Die ausgehobene Erde türmte sich am Rand des Grabens auf jener Seite, die von der Mauer abgewandt war, und schuf dadurch eine Böschung. Die Erde wirkte frisch; der Graben musste demnach erst vor Kurzem angelegt worden sein. Ein schmaler Landstreifen bot Zugang zu den Toren, und eine Gruppe von Leuten – vorwiegend Frauen und Kinder – eilte durch die Öffnung. Ein schrille Glocke läutete gedämpft aus der Ferne.
Ich dachte, Temall sei eine Hafenstadt , sagte ich.
»Wo ist der Hafen?«, fragte Westen, als er zu Tomus, dem Gardisten, aufgeschlossen hatte.
»Auf der anderen Seite der Ortschaft«, antwortete der Gardist. »Der Hauptteil der Stadt ist von der Mauer umgeben. Es gibt eine Zugangsstraße, die hinunter zu den Docks und zum Hafen führt. Aber da ist nicht viel – ein paar Lagerhäuser, Tavernen und Freudenhäuser.« Er zuckte mit den Schultern.
Plötzlich gellte ein Schrei, der das Blut in den Adern gerinnen ließ, und lenkte die Aufmerksamkeit aller auf den südlichen Rand der Felder.
Eine Gruppe von Männern kämpfte dort, um die Chorl zurückzuhalten. Nur wenige trugen Rüstungen und Schwerter; die meisten Männer hatte Feldarbeiterkleider an und schwangen Hacken und Schaufeln.
Und sie waren in der Unterzahl. Fast doppelt so viele Chorl stürmten an, wie sich ihnen Verteidiger aus Temall entgegenstellten. Während wir beobachteten, löste die Linie der Männer aus Temall sich auf. Die triumphierenden Schlachtrufe der Chorl übertönten die Schmerzensschreie der niedergemetzelten Verteidiger.
»Tomus.«
Ohne ein weiteres Wort wirbelte Tomus herum, lief den Hügel hinunter und brüllte den Befehl, sich vorzubereiten. Rüstungen klirrten, Schwerter zischten aus Scheiden.
Durch das Feuer spürte ich, wie sich die Anspannung im Fluss verdoppelte.
Westen schaute zu den Toren und zu der Gruppe von Frauen und Kindern, die immer noch versuchte, in Sicherheit zu gelangen. »Sie müssen die Tore schließen«, sagte er. Bilder seiner Gemahlin und seines Sohnes blitzten durch seine Gedanken, und er biss die Zähne zusammen. Dann verdrängte er die Bilder, und seine Hand umklammerte den Griff des Dolchs an seiner Hüfte.
Im Süden bog sich die Verteidigungslinie der Männer aus Temall durch, ehe sie vollständig brach. Chorl strömten durch die Lücken und hielten geradewegs auf die Tore zu. Schreie derAngst und des Entsetzens hallten über die Felder, während die Frauen und Kinder weiterrannten.
Westen stieß einen wilden Fluch aus, wirbelte herum und brüllte: »Tomus!«
»Bereit!«
Als die Gruppe über die Anhöhe hinweg zu den Feldern stürmte, spürte ich, wie Westen in jene ruhige Mitte sank, die ich schon einmal beim Angriff der Chorl auf Amenkor gefühlt hatte. Es war die Mitte, nach der alle Sucher strebten. Bar jeglicher Gefühle, nüchtern und abwägend ließ Westen sämtliche Gedanken an seine Familie fahren und konzentrierte sich allein auf die Schlacht vor ihm. Sein Blick huschte über die
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