Die Kaempferin
heraus und legte die Flasche zurück in die Kiste.
Ich zuckte zusammen, als er vortrat. Ein Tropfen Flüssigkeit fiel von der Spitze der Nadel auf meine Haut, die augenblicklich wie Feuer brannte. Es war ein Schmerz, der sich auf die umliegenden Muskeln ausbreitete und sich tiefer und tiefer fraß, als hätte mein Körper Feuer gefangen.
Dabei hatte der Stachel mich nicht einmal berührt.
Ich krümmte mich zur Seite. Sand stob auf, als ich verzweifelt mit den Beinen trat. Haqtl brüllte einen weiteren Befehl, worauf zwei Chorl-Krieger herbeikamen. Einer trat mir in den Magen und ließ sich dann neben mir herabsinken, ein Knie auf meiner Brust. Der andere packte meine Beine.
Bewegungsunfähig konnte ich nur zusehen, wie Haqtl sich neben meinen Kopf stellte, sich niederkniete und den Stachel über meine Brust, über mein Herz hob. Dabei starrte er mir mit schmalen Lippen bösartig ins Gesicht … und dann schloss er die Augen.
Eine Decke legte sich über mich, ein Druck, der mich vom Hals bis zu den Zehen erstickte.
Haqtl begann leise, kaum hörbar, zu murmeln.
Und der Stachel senkte sich.
Ich versuchte, mich zu wehren, und spürte, wie sich meine Halsmuskeln anspannten, als ich mich den Händen der Chorl-Krieger entwinden wollte. Mit aller Willenskraft befahl ich meinem Körper, sich zu bewegen.
Doch die mich umhüllende Decke lockerte sich nicht.
Kurz bevor der Stachel die Haut über meinem Herzen berührte, in mein Fleisch sank, die Haut durchdrang und sich tiefer und tiefer bohrte, öffnete Haqtl die Augen und lächelte. Sein geflüsterter Sprechgesang verstummte.
Dann schrie ich …
Und Erick stieß mich mit einem eigenen Aufschrei zurück, weg aus der Erinnerung. Unser beider Gebrüll verschmolz, bis wir gleichzeitig verstummten und in die zittrige Stille hinein keuchten.
Ruhiger, als ich erwartet hätte, wenngleich mit rauer Stimme, sagte Erick: Damit lebe ich. Mit diesen Erinnerungen. Mit diesen Schmerzen. Und das soll ich immer und immer wieder ertragen? Du verlangst zu viel von mir, Varis. Ich kann nicht in diesem Körper bleiben, kann damit nicht mehr leben. Du musst mich befreien. Du musst es beenden. Du musst mich töten.
Damit ließ er mich endgültig los und zog sich zurück. Schluchzend krümmte sich mein Geist, unfähig, sich nach Trost auszustrecken oder ihn in sich selbst zu finden. Hatte es sich so für Avrell angefühlt, als er versucht hatte, Eryn vom Thron zu befreien, und letztlich zu der Erkenntnis gelangte, dass er sie nur retten konnte, indem er sie töten ließ? Hatte auch Avrell so gelitten?
Ich wusste es nicht. Schließlich hatte ich erst seit weniger als einem Jahr regelmäßigen Umgang mit ihm. Jedenfalls hatte er sich keinen solchen Schmerz anmerken lassen, als er und Borund den Tod der Regentin angeordnet hatten.
Aber was, wenn er diese furchtbare Pein doch verspürt hatte? Diesen Schmerz, der sich anfühlte, als hätte ihm jemand ein Messer in die Eingeweide getrieben? Jemand, der ihm nahestand und dem er vertraute. Wie hatte er diese Qualen überlebt?
Varis … bitte.
Ich flüchtete, stieß mich aus dem Feuer empor und ließ mich mit einem Laut, der halb Keuchen, halb Schluchzen war, in mich selbst zurückfallen.
»Varis?«
Eine besorgte Hand senkte sich auf meine Schulter, und ich schlug meine tränenden Augen auf. »Er will, dass ich ihn töte, Keven. Er will, dass ich es beende.«
Keven zuckte zusammen und riss die Hand von meiner Schulter. Sein Kopf schnellte zu Erick herum.
Das Gesicht des auf dem Bett liegenden Suchers war tränennass, doch aus seiner Miene sprach tiefe Ruhe. Keinerlei Gefühlsregungen zeigten sich auf seinem Gesicht, keine Spannung um die Augen, kein Ansatz eines Lächelns. Es war völlig leer.
Abgesehen von den Tränen, die zu vergießen wahrscheinlich ich ihn gezwungen hatte, als ich mich in seinem Körper befand und die Schmerzen spürte, die Haqtl und die übrigen Chorl ihm zugefügt hatten.
Als Keven sich wieder mir zuwandte, sah ich Zustimmung in seinen Zügen. Verständnis.
Und voller Grauen wurde mir klar, dass auch ich es verstand, vermutlich besser noch als Keven.
Denn ich konnte nicht einmal in einer Stadt eingesperrt bleiben, ohne mich dagegen aufzulehnen, geschweige denn in meinem eigenen Körper mit solchen Erinnerungen.
Der Tod wäre besser.
Und damit endeten die Tränen jäh.
Kevens Blicke ruhten auf meinem Gesicht. »Wenn Ihr es nicht tut«, sagte er, »wenn Ihr es nicht könnt , dann tue ich es. Für
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