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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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beider Gegenwart spendete mir Trost.
    Allerdings vermochten sie beide nicht, mir den Trost zu geben, den ich suchte.
    Ich wollte William. Ich wollte seine Hand halten, während ich neben Ericks Bett stand. Ich wollte, dass er mich festhielt, mir Kraft gab. Ich wollte seine Berührung.
    Die vergangenen drei Monate waren grauenhaft gewesen. Drei Monate hatte ich Ericks Qualen mit ansehen müssen, seineBlässe, seine schweißnasse Haut, sein gerötetes Gesicht. Nur dank William hatte ich das ertragen.
    Und nun war William fort. Wegen kleinlicher Eifersucht.
    Mir war nicht klar gewesen, dass ich ihn so sehr vermissen würde.
    Jemand klopfte an die Tür. Keven öffnete und ließ Marielle, Trielle und Ottul ins Zimmer. Die Begabte der Chorl bewegte sich unsicher zwischen den beiden Frauen und wich mit argwöhnischem Blick vor Keven zurück.
    Dann sah sie mich und hielt inne. Zorn flammte in ihren Augen auf.
    Auch tief in mir entzündete sich Wut. Mit bedrohlicher Miene befahl ich: »Komm her.«
    Ottul zögerte, streckte trotzig das Kinn vor …
    Dann zerbröckelte etwas in ihr. Kummer legte sich auf ihre Züge. Ich dachte an die zahllosen Stunden, die sie in ihrem Zimmer verbrachte, auf dem Boden kniend, während sie sich vor und zurück wiegte, wobei sie Gebete flüsterte und ihr Tränen übers Gesicht strömten. Es war ein Schmerz, der bei ihr eingesetzt hatte, als sie vom Selbstmord der anderen Chorl-Gefangenen erfuhr.
    Nun trat sie vor und senkte den Kopf.
    Ich holte tief Luft; dann sagte ich: »Sieh ihn dir an.«
    Als Ottul nicht aufschaute und sich nicht rührte, fauchte ich: »Sieh ihn dir an!«
    Ottul erschrak. Jäh riss sie den Kopf hoch. Ihre Augen funkelten. Hinter ihr zuckten Marielle und Trielle zusammen. Keven erstarrte.
    Ottul jedoch schaute in die Richtung, in die ich zeigte – zu Erick. Abermals flammten in ihren Augen Hitze und Hass auf; dann jedoch runzelte sie verwirrt die Stirn und wandte sich wieder mir zu.
    »Was hat die Ochea mit ihm gemacht?«, fragte ich. »Sag mir, was sie getan hat und wie man es beenden kann.«
    Abermals spürte ich Tränen in den Augenwinkeln brennen. Als Ottul nicht antwortete, streckte ich die Hand aus, packte sie am Arm und zerrte sie neben Ericks Bett. Mit geweiteten Augen wehrte sie sich. »Sag mir, was sie mit ihm gemacht hat«, wiederholte ich, riss das Hemd über Ericks Brust auf und legte das rote Mal über seinem Herzen frei.
    Ottul keuchte und zuckte zurück, fasste sich mit einer Hand an die Brust und fuchtelte mit der anderen umher, während ein kurzer, abgehackter Wortschwall aus ihr hervorsprudelte. Ich packte sie erneut am Oberarm, bevor sie flüchten konnte, und hielt sie fest. Sie versuchte, sich meinem Griff zu entwinden, sank dann aber mit kippender Stimme auf die Knie.
    »Was ist es?«, herrschte ich sie an. »Was ist es, und wie kann man es heilen? Hilf mir!«
    »Nein«, flüsterte Ottul, bevor sie wieder in ihre eigene Sprache verfiel. Mit geschlossenen Augen sank sie tiefer zu Boden und kippte nach vorn, bis ich gezwungen war, sie loszulassen. »Nein! Nicht Hilfe!«, stieß sie hervor, wobei ihre entsetzten Worte in ein Schluchzen übergingen. »Nicht Hilfe …«
    Ich trat zurück. Aller Zorn floss aus mir ab, wurde von einem stumpfen Gefühl der Schicksalsergebenheit verdrängt. Ich beobachtete, wie Ottul sich über ihre Knie krümmte, die Arme an den Körper anlegte und die Hände im Nacken verschränkte. Es war eine schützende Kauerhaltung, die sich völlig von der knienden Stellung unterschied, die sie in ihrem Zimmer zum Beten einnahm.
    Sie fürchtete sich; ihre Schultern zitterten. Ich erkannte die Haltung vom Siel: Arme und Knie waren angezogen, um das Gesicht und die verwundbarsten Körperteile zu schützen.
    Ottul rechnete damit, geschlagen zu werden.
    Ich spürte, wie Keven hinter mich trat. »Ich glaube nicht, dass sie helfen wird.«
    »Ich glaube nicht, dass sie helfen kann «, entgegnete ich. »Sie weiß nicht, wie. Aber sie hat so etwas schon gesehen.« MeineStimme klang leblos. Ich holte tief Luft und schmeckte Ottuls Grauen im Fluss, durchdringend und salzig. »Bringt sie zurück in ihr Zimmer.«
    Ich wandte mich ab, als Marielle und Trielle herbeikamen, Ottul auf die Beine halfen und sie zur Tür führten. Ich lauschte ihrem fortwährenden Schluchzen, ihrem Stammeln, Japsen und Stöhnen. Anhand der zitternden Schwingungen im Fluss konnte ich ihren Bewegungen folgen.
    Als es still im Raum geworden war, seufzte ich.
    Dann tauchte ich

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