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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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war, und vor der Abreise auf den Docks hast du mich kaum zur Kenntnis genommen.«
    »Ich war beschäftigt. Mit Angelegenheiten der Gilde.«
    »Und was war hier auf dem Schiff?«
    Unbehaglich trat er von einem Bein aufs andere. Ich wandte mich zornig ab und hob das Fernrohr wieder ans Auge, ohne es auf irgendetwas zu richten.
    William fasste sich. »Es geht um Brandan Vard.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Ich vertraue ihm nicht. Er verbirgt irgendetwas.«
    Beinahe hätte ich vor Enttäuschung geseufzt, denn nun redete ich mit William, dem Händler, nicht mit dem William, deretliche Stunden mit mir an Ericks Bett verbracht hatte; nicht mit dem William, der mich festgehalten hatte, als mir Ericks trauriger Zustand Tränen entlockte hatte. »Das weiß ich, William. Ich weiß nur nicht, was er verbirgt und mir nicht sagt. Du etwa?«
    »Nein.«
    Als ich ihm das Fernrohr hinhielt, nahm er es zögerlich entgegen und starrte kurz darauf, bevor er meinem Blick begegnete.
    »Ich traue ihm einfach nicht«, meinte er nachdrücklich, und ich las in seiner Miene, was er nicht in Worte zu fassen vermochte. »Du solltest keinen Umgang mit ihm pflegen. Du solltest …«
    Jäh brach er den Satz ab und schaute weg. Verdrossenheit und Zorn spiegelten sich auf seinen Zügen.
    »Ich muss mit ihm Umgang haben«, gab ich zurück und streckte die Hand aus, um seinen Arm zu ergreifen. »Ich bin die Regentin von Amenkor, und er ist ein Begabter aus Venitte, ein Vertreter von Fürst March.«
    Dass William all dies wusste, war offensichtlich; dennoch half es ihm nicht, sich zu entspannen, weil es nicht das eigentliche Problem war.
    Das Licht schwand. Die Abenddämmerung brach an.
    William schob das Fernrohr zusammen, verstaute es in seiner Tasche und drehte sich um.
    »Varis …«, setzte er an, verstummte dann aber.
    Varis , nicht Regentin.
    Bevor ich etwas erwidern oder auch nur nachdenken konnte, trat er dicht zu mir und küsste mich.
    Die Berührung seiner Lippen erschreckte mich, jagte etwas zugleich Warmes und Kaltes, Weiches und Hartes durch meinen Körper, das mir durch die Hände kribbelte, die ich, ohne zu überlegen, zu Williams Schultern gehoben hatte. Der Kuss war rau und zärtlich zugleich. Ich konnte ihn im Fluss schmecken –eine Mischung aus Verdrossenheit, Eifersucht und Leidenschaft, die wie Butter und Salzlauge anmutete.
    Dann endete es, und William löste sich von mir. Meine Hände fielen herab.
    Damit ging er, kehrte unter Deck in seine Kabine zurück.
    Ich blieb in der Düsternis zurück und schauderte. Allerdings nicht wegen der Kälte, die der Einbruch der Nacht mit sich gebracht hatte. Vielmehr konnte ich William noch in der Luft riechen – den Geruch von Schweiß und Sägemehl, nunmehr vermischt mit dem Salzgeruch des Meeres.
    War ich mir zuvor seiner Gefühle unsicher gewesen, trotz seiner Zeichnungen von mir, die er in seinem Zimmer hatte, trotz des Kusses in der Gildenhalle und auf dem Dock, so hatte er seine Absichten nun klar zum Ausdruck gebracht. Denn im Gegensatz zu den beiden ersten Küssen war dieser von ihm ausgegangen.
    Eine Zeit lang zögerte ich auf dem Deck des Schiffes; dann ging ich hinunter in meine Kabine.
    Marielle und Trielle erwarteten mich bereits.
    »Und?«, fragte Marielle, sobald ich eintrat. »Was ist geschehen?«
    »Nichts.«
    Marielle schürzte enttäuscht die Lippen. »Vielleicht solltet Ihr Euch mehr mit Brandan beschäftigen, wenn wir Land erreichen. Er scheint mir ein wenig zielstrebiger zu sein als William.«
    Ich sah Trielle an. Sie beobachtete mich mit hochgezogenen Brauen.
    Sie glaubte mir nicht. Sie wusste, dass etwas geschehen war – nur nicht, was.
    »Helft mir mit den Hängematten«, forderte ich die beiden auf, ohne sie weiter zu beachten.
    Ich hätte mir die Lüge sparen können. An Bord eines Schiffes gab es keine Geheimnisse, wie ich am nächsten Tag erkannte,kaum dass ich das Deck betreten und Avrells finsteren Blick bemerkt hatte.
    »Ihr hättet ein wenig taktvoller sein können«, meinte er schroff. »Auf dem Dock in Amenkor hat wenigstens Dunkelheit geherrscht, und ihr wart vor den Blicken der Allgemeinheit verborgen.«
    Sofort schäumte ich innerlich. Wäre es nicht Avrell gewesen, hätte ich den Dolch gezogen. »Ich wusste gar nicht, dass so etwas in den Zuständigkeitsbereich des Oberhofmarschalls fällt.«
    Avrell versteifte sich. »Alles, was die Regentin betrifft, gehört zu den Pflichten des Oberhofmarschalls. Ganz besonders so etwas!« Er riss sich zusammen, zwang

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