Die Kaempferin
Zweifeln.
Der Strudel drückte sich dicht und schwer an meine Haut. Ich wand mich darunter und stellte fest, dass er nunmehr eine Mischung aus Grau und Rot darstellte, obwohl er zuvor nur grau gewesen war.
Eine mögliche, eine unentschlossene Gefahr.
»Wer seid Ihr, dass Ihr mich zu befragen wagt?«, sagte Justaen.
»Sie ist die Regentin von Amenkor«, ergriff Avrell entrüstet das Wort.
»Ist sie das?«, spie Justaen ihm entgegen, stand jäh auf und legte eine Hand auf den Tisch. »Die Regentin hatte seit undenklichen Zeiten die Herrschaft über den Geisterthron, und nach allen Berichten, die ich darüber gehört habe, was vergangenen Winter vorgefallen ist, wurde der Geisterthron zerstört. Was also regiert sie? Was beherrscht sie?«
Avrell trat vor, doch ich gebot ihm Einhalt, indem ich scharf sagte: »Nein.«
Wütend wich Avrell zurück. Auch bei Keven und Catrell spürte ich Empörung, sogar bei William. Nur Westen wirkte unbeeindruckt, als hätte er mit so etwas gerechnet.
Ich richtete einen hitzigen, finsteren Blick auf Justaen, ertappte meine Hand dabei, auf dem Griff meines Dolchs zu ruhen, und beließ sie dort. »Ich bin die Regentin von Amenkor.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Tristan nickte.
Herrscher Justaen von Temall zeigte keine Regung.
»Also habt Ihr die Sucher ohne Erlaubnis in mein Gebiet geschickt«, warf er mir mit einer Stimme vor, die so tödlich ruhig war wie meine.
»Ich habe die Sucher entsandt, weil wir glaubten, die Chorl hätten Temall bereits erobert. Wir dachten, sie wären erneut auf dem Weg nach Amenkor.«
»Und habt Ihr auch die Bande entsandt?«
»Nein.«
»Diese Männer kämpfen aber unter dem Banner des Geisterthrones. Sie werden von Leuten angeführt, von denen Euer Sucher«, er deutete auf Westen, »behauptet, sie wären einst Gardisten von Amenkor gewesen.«
»Ja. Der Anführer der Bande heißt Baill. Er war früher Hauptmann der Palastgarde in Amenkor.«
»Und jetzt ist er es nicht mehr?«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Er hat uns an die Chorl verraten.«
Zweifel traten in Justaens Miene. »Warum ist er dann hier und kämpft jetzt gegen sie? Und warum verwendet er den Geisterthron als Gefechtswappen?«
Erneut schüttelte ich den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Er verengte die Augen zu Schlitzen. Justaen wollte mir glauben, mir vertrauen …
»Nein«, sagte er schließlich. »Nehmt Eure Sucher und geht.«
»Aber die Chorl …«, setzte Avrell an.
Justaen schnitt ihm das Wort ab. »Temall wird selbst mit den Chorl zurechtkommen. Bislang ist es uns durchaus gelungen, uns gegen sie zu verteidigen.«
»Weil Ihr die Hauptstreitmacht dieser Krieger noch nicht gesehen habt«, warf ich ein. »Weil ihnen vorläufig nur an Euren Lebensmitteln und sonstigen Vorräten gelegen ist. Falls die Chorl kommen, um den Ort zu erobern – und das werden sie –, werdet Ihr nicht gegen sie bestehen können. Wenn sie Venitte einnehmen, werden sie nicht mehr aufzuhalten sein.«
Justaen erwiderte nichts.
In der Stille trat Tristan vor. »Ihr wollt uns nicht helfen, Venitte zu verteidigen?«
Justaen zögerte angesichts des förmlichen Tonfalls. »Es ist meine Pflicht, Temall zu schützen.«
Tristan nickte. Dann gab er Brandan und seinen Gardisten ein Zeichen und hielt auf die Tür zu.
Avrell trat hinter mich. Es war offensichtlich, dass auch er gehen wollte.
»Ihr werdet nicht überleben«, warnte ich.
Justaen starrte mich stumm an.
»Kommt«, forderte Avrell mich leise auf. »Er hat seine Entscheidung getroffen.«
Ich blickte Justaen noch einen Moment in die Augen; dann wirbelte ich herum und ließ mich von Keven, Catrell und Westen durch die Tür in die Halle dahinter führen. William folgte dicht hinter uns.
»Habt Ihr keine Angelegenheiten der Gilde mit Fürst Justaen zu besprechen? Oder mit seinen Händlern?«, fragte Avrell, als wir die Halle in Richtung der Haupttore und des Hafens durchquerten.
»Hier habe ich keine Geschäfte zu führen«, gab William knapp zurück. Ich hörte die Lüge in seinen Worten und erkannte, dass er diese Verbindungen bewusst abschnitt, weil Justaen mich beleidigt hatte.
»Ich habe auf den Docks versucht, Euch zu warnen«, meldete Westen sich zu Wort. »Aber wir hatten ja keine Gelegenheit, miteinander zu reden.«
»Es spielt keine Rolle«, erwiderte ich und verspürte dabei heißen Zorn. »Aber ich verstehe ihn nicht. Erkennt er denn nicht, was für eine Gefahr die Chorl verkörpern?«
Catrell schüttelte den Kopf. »Er
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