Die Kaempferin
Halle.
Justaen stellte das Glas ab, was das Zeichen zum Essen zu sein schien, denn alle machten sich über die Speisen her. Stimmengewirr und Lachen erfüllten den Raum, lauter als in einer Taverne.
»Esst«, forderte Justaen mich auf und deutete auf meinen Teller, während er selbst nach einer Scheibe Fleisch griff. »Danach haben wir viel zu besprechen. Aber jetzt genießt erst Eure Mahlzeit.«
Ich bestrich eine Scheibe warmes Brot mit Butter. Justaen grunzte, als ich hineinbiss.
Um ein Haar hätte ich alles wieder ausgespuckt, doch es gelang mir, zu kauen, zu schlucken und nur leicht zu hüsteln. »Das ist keine Butter. Es schmeckt anders.«
»Es ist Apfelbutter«, erklärte Tristan.
Stirnrunzelnd betrachtete ich das Brot; dann biss ich erneut davon ab und nahm den Geschmack diesmal richtig wahr. Justaenbeobachtete mich eingehend. Fleischsaft war ihm in den Bart gesickert. Ich hatte nicht gewusst, dass es verschiedene Arten von Butter gab, doch nun schmeckte ich die Äpfel heraus, süß und herb zugleich. Auch die Beschaffenheit der Butter erschien mir anders, cremiger.
»Das schmeckt«, sagte ich.
Justaen lächelte. »Ich werde dafür sorgen, dass Ihr Butter auf Euer Schiff bekommt«, erwiderte er, hob den Kelch, trank und wandte sich Tristan zu.
Ich schaute zu Avrell, der mich mit einem ermutigenden Nicken bedachte.
Das Fleisch erwies sich als würzig, nur die Tunke empfand ich als zu scharf, was ich linderte, indem ich sie mit Brot aß; dennoch ließ ich den größten Teil auf dem Teller. Da ich eher an Wasser und Tee gewöhnt war, nippte ich nur vorsichtig an dem Wein. Trotzdem spürte ich seine Wirkung bereits, als die Mahlzeit sich dem Ende zuneigte. Justaen hatte sich abwechselnd mit jedem am Tisch unterhalten, allerdings nur über Belanglosigkeiten: die Reise von Amenkor hierher, den Sturm, die neueste Mode in Venitte.
Als Justaen seinen Stuhl zurückschob und allmählich Stille in die Halle einkehrte, war die Nacht hereingebrochen, und meine Geduld neigte sich dem Ende zu. Ich fühlte mich angespannt. Meine Beine zuckten unter dem Tisch, meine Hand senkte sich immer wieder unbewusst auf den Griff meines Dolchs, bevor mir klar wurde, was ich tat, und sie jäh zurückriss. Avrell begnügte sich damit, mir gelegentlich warnende Blicke zuzuwerfen, denen ich keine Beachtung schenkte.
»Wenn Ihr mich bitte begleiten würdet«, forderte Justaen mich auf.
Ohne etwas zu erwidern, erhob ich mich. Alle anderen am Ehrentisch taten es mir gleich. Als wir in eine Vorkammer abseits der Haupthalle geführt wurden, schlossen sich uns Keven, Westen, Catrell und mehrere Gardisten aus Venitte an.
Justaen nahm hinter einem großen Schreibpult auf einem Stuhl Platz und fragte ohne Umschweife: »Was wollt Ihr?«
Ich spürte, wie ich mich angesichts seines Tonfalls versteifte. Die Stimmung im Raum wandelte sich ein wenig, als auch die Gardisten aus Amenkor eine angespannte Haltung einnahmen. Ohne hinzusehen, wusste ich, dass Avrells Miene sich verfinstert hatte.
In der Kammer gab es keine weiteren Stühle, nur kleine Tische mit Büchern und Papier, Nischen mit Statuen, einen funkelnden Dolch und einen großen Behang, der eine Wand einnahm. Auf dem Schreibpult stand ein Tintenfässchen; daneben lag ein Federkiel.
Und ein Schwert. Es war lang und gerade, steckte in einer Scheide und ruhte flach am Rand des Tisches.
Mir wurde bewusst, dass Tristan und Brandan neben mir standen, und ich spürte, wie ich mich lockerte und eine Haltung einnahm, die Westen bestimmt erkannte. Es war eine wachsame, argwöhnische Haltung, als würde ich einem unbekannten Feind gegenüberstehen. »Ich möchte wissen, welche Absichten Ihr hinsichtlich der Chorl habt.«
»Meine Absichten«, brummte Justaen.
Ich legte die Stirn in Falten. »Sie haben die Küste überfallen und die Bootsmannsbucht übernommen, die sich nur wenige Tagesreisen von hier entfernt befindet. Auch Amenkor haben sie bereits angegriffen, und Euren Worten zufolge sind sie derzeit nach Venitte unterwegs. Was habt Ihr vor, diesbezüglich zu unternehmen?«
Justaen schwieg und ließ seine Blicke auf mir ruhen. Ich tauchte in den Fluss, wo ich einen Schwall von Gefühlsregungen in den Strömungen wahrnahm: größtes Interesse bei Tristan, Unruhe bei Brandan und William, außerdem ein gewisses Maß an Hass. Von Westen ging ein starkes Gefühl der Warnung aus, und von Justaen …
Ich sog scharf den Atem ein.
Zorn und Groll, vermischt mit Unentschlossenheit und
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