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Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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gelesen«, sage ich. »Ich habe diese drei gelesen, weil sie die drei Hauptwerke sind.«
    »Und was ist mit Joseph und seine Brüder ? Was ist mit dem Faustus ? Tss … Tod in Venedig … Das sind doch nicht mal 150 Seiten.«
    »Aber die kommen einem sehr lang vor.«
    »Ich behaupte hiermit, dass man eine Novelle, quasi ein Nebenwerk, überhaupt nicht zu den Hauptwerken zählen darf!«
    »Absurd!«, rufe ich. »Einige der amüsantesten Werke der deutschen Literatur sind Novellen! Die Schachnovelle ! Die Traumnovelle ! Der Schimmelreiter ! Michael Koh …«
    Unser Auto fängt an zu stottern und bleibt stehen.
    »Hast du getankt?«, frage ich.
    »Man muss diese Dinger immer noch betanken?!?«

Als wir bei Bertelsmann ankommen, ist die Party schon fast vorbei. Mein Agent hat uns in Empfang genommen, einem wichtigen Menschen vorgestellt, dessen Namen und Job er so vernuschelt hat, dass ihn keiner verstehen konnte, und ist dann unangenehmerweise irgendwohin verschwunden.
    »Äh … tja äh …«, sage ich, »und was äh … ist Ihr Lieblingsbuch?«
    »Ich … also ich … nun … äh«, sagt der Mann. »Ich muss gestehen, ich habe mich aus beruflichen Gründen bisher hauptsächlich mit historischen Romanen und Fantasy-Trilogien beschäftigt.« Er lacht. »Und da interessiert mich mehr die distributive Seite.«
    »Sag mir, Meister … ist die distributive Seite stärker?«, murmle ich.
    »Nein. Nein. Nein«, sage ich. »Schneller, leichter, verführerischer.«
    »Wie bitte?«, fragt der Mann.
    »Nichts, nichts«, sage ich.
    »Unter uns«, sagt er lachend, »ich traue mich kaum, jemanden in mein neues Haus einzuladen. Ich habe mir Bücherregale anfertigen lassen … Die sind nicht annähernd gefüllt …«
    »Da kann ich Ihnen helfen«, sagt das Känguru und zieht an seiner Pfeife. Zur Pfeife trägt es eine karierte Jagdmütze mit Schirm, einen ebenso karierten ärmellosen Mantel mit Pelerine, eine Lupe und Spuren von weißem Pulver um die Nase.
    »Ich leite nämlich eine Buchhandlung, nur für ganz erlesene Kunden mit wenig Zeit, aber viel Geld«, sagt es.
    »So?«, fragt der Mann.
    »Wir verkaufen Bücher nach Metern.«
    »Ach, das ist ja mal eine tolle Idee«, sagt der Mann. »Wie heißt Ihr Laden denn?«
    » Der Modeaffe «, sagt das Känguru.
    »Wie?«
    »Nach einem Theaterstück Friedrichs des Großen.«
    »Ach so. Ich dachte schon, Sie machen sich über mich lustig.«
    »Wie käme ich denn dazu?«, sagt das Känguru. »Um wie viele Meter geht es denn bei Ihnen?«
    »Nun, so …«, er rechnet, »… zwanzig vielleicht.«
    »Zwanzig«, sagt das Känguru. »Gerne. Darf’s ein bisschen mehr sein?«
    »Na, sagen wir fünfundzwanzig. Aber bitte keinen Schund. Sonst könnte ich ja gleich auf das aktuelle Verlagsprogramm hier zurückgreifen. Ich will Hochkultur: Homer, Dante, Shakespeare, Rembrandt.«
    »Oh!«, sage ich. »Sie sind auch Erich-Maria-Rembrandt-Fan? Sein Im Western nichts Neues ist bis heute das witzigste Buch über die Vertreibung der Ureinwohner Nordamerikas. Finden Sie nicht auch?«
    »Sicher, sicher.«
    »Unsere Kunden können natürlich selbst bestimmen, in welchen Bereichen sie gebildet und belesen erscheinen möchten«, sagt das Känguru. »Viel nachgefragte Zusammenstellungen sind zum Beispiel Die dicksten Klassiker, Die Künstler aus aller Welt oder Die Philosophen aus Sophies Welt. «
    »Was nehmen denn die anderen Kunden so?«
    »Ganz unterschiedlich. Jörn Dwigs …«
    »Der Politiker?«
    »Ja, der Rechtspopulist«, sagt das Känguru. »Dem haben wir einfach dreiunddreißig Meter breit sein eigenes Buch geliefert. Er ist sehr zufrieden damit.«
    »Nun. Ich nehme Die dicksten Klassiker . Kann man auch mixen? Noch ein paar von Sophies Philosophen ?«
    »Ja, natürlich«, sagt das Känguru. »Der Klassiker-Philo-Mix, oder wie wir intern scherzen: Die dickste Sophie . Immer gerne genommen.«
    »Die dickste Sophie!«, sagt er und lacht.
    »Ich hasse Pointenwiederholer«, sage ich.
    »Er hasst Pointenwiederholer«, sagt er und lacht.
    »Auf Wunsch liefern wir übrigens auch schlaue Sätze mit, die Sie in einer Konversation benutzen können, sollte ein Gast das Gespräch auf eines der Bücher lenken«, sagt das Känguru. »Natürlich können Sie auch hier vorgeben, wie Sie auf andere wirken möchten. Soll Ihre Meinung im Mainstream verankert sein, möchten Sie provozieren oder humorvoll rüberkommen?«
    »Gerne humorvoll«, sagt der Mann. »Etwas Humor habe ich mir schon immer gewünscht.«
    »Ich

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