Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
kennenlernen und eventuell näherkommen. Aber so ist es unmöglich. Das verbietet mir mein Berufsethos.«
»Nein! Nein!«, insistiere ich. »Das sind keine ironischen Träume.«
»Was soll das sein?«, fragt mein Psychiater. »Ein ironischer Traum?«
»Ich meinte nicht ironisch im Sinne von ironisch …«, sage ich.
PLOP.
Ein Spritzer Bier trifft mein Gesicht.
»’tschuldigung«, sagt das Känguru und schüttet der Pille etwas Flüssiges hinterher.
»Dass du schon wieder trinken kannst«, sage ich. »Mir tut immer noch der Kopf weh von gestern.«
»Mir gleich nicht mehr«, sagt das Känguru.
Mein Psychiater blickt mich lange an.
»Ich muss Ihnen etwas gestehen«, sagt er schließlich. »Ich träume auch von Ihnen.«
Ich starre ihn an.
»Wie bitte?«, frage ich entsetzt.
»Liebe ist ein starkes Gefühl!«, sagt er.
Schreiend wache ich auf. Verstört blicke ich mich um.
Ich liege auf einer Couch.
»Ganz ruhig«, sagt mein Psychiater. »Sie waren nur kurz eingenickt.«
»O nein!«, murmle ich und fange an zu schluchzen. »Es ist passiert. Ich stecke in der Endlosschleife.«
»Wie bitte?«
Ich schlage mir ins Gesicht.
»Was tun Sie da?«, fragt mein Psychiater.
»Ich versuche aus diesem Alptraum aufzuwachen«, sage ich.
»Versuchen wir das nicht alle?«, fragt mein Psychiater und schlägt sich auch ins Gesicht.
»Es heißt ja – und das nicht zu Unrecht –, Geben sei seliger denn Nehmen«, sagt das Känguru, »auch ist allen klar, dass man dem Geber Dank schuldet, wohingegen der Nehmer zu danken hat, und da Sprache eine Waffe ist, lassen Sie mich kurz etwas über die Begriffe ›Arbeitgeber‹ und ›Arbeitnehmer‹ klarstellen, bevor wir dieses sogenannte Bewerbungsgespräch fortführen.«
Der Personalchef ihm gegenüber zuckt mit den Achseln.
Das Känguru rückt das ockerfarbene Sakko seines Hosenanzuges gerade, zupft ein wenig an seiner Bluse herum und legt dann seine Daumen und Zeigefinger so vor dem Bauch zusammen, dass sie eine Raute bilden.
»Arbeitgeber und Arbeitnehmer …«, sagt das Känguru. »Diese beiden Wörter sind falsch. Es sind Wortzusammensetzungen, nur geschaffen, um die Wahrheit zu verdrehen, die Arbeitenden zu verwirren, ja es sind Klassenkampfkomposita. – Bitte beachten Sie die gelungene Alliteration. – Eigentlich ist nämlich der sogenannte Arbeitgeber der Arbeitnehmer und der sogenannte Arbeitnehmer der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer nämlich gibt seine Arbeit dem Arbeitgeber, und der Arbeitgeber nimmt die Arbeit des Arbeitnehmers und verwertet diese zu seinem Gewinn.«
»Ja, stimmt«, sagt der Personalchef. »Habe ich noch nie drüber nachgedacht.«
»Da ich mich nicht an dieser Verblendung des Volkes beteiligen möchte«, sagt das Känguru, »bitte ich um Ihr Verständnis dafür, dass ich diese beiden Wörter im vertauschten oder vielmehr vertauscht scheinenden, aber eigentlich richtigen Sinn benutzen werde. In denselben Ekzemkomplex gehört übrigens auch, dass sich der Arbeitende bewerben muss, dabei müssten doch vielmehr Sie als Arbeitnehmer sich mir als Arbeitgeber schmackhaft machen. Erzählen Sie doch mal etwas über Ihr Unternehmen.«
»Äh … nun …«, sagt der Mann. »Wir bei Großbauplanung Albert Teer sind … äh … flexibel, belastbar, innovativ, kreativ, teamfähig, begeisterungsfähig und äh …«
»… kreativ«, sagt das Känguru. »Ich verstehe.«
Es steht auf.
»Gut, das reicht«, sagt es. »Rufen Sie mich nicht an. Ich rufe Sie an.«
»Nein … bitte … geben Sie uns noch eine Chance«, stammelt der Personalchef.
»Marc-Uwe, hol schon mal den Wagen«, sagt das Känguru.
Ich verlasse das Büro und setze mich mangels Wagen ans offene Fenster im Vorzimmer.
»Ich, ich hatte nicht richtig Zeit, mich vorzubereiten«, jammert der Mann. »Meine Mutter ist schwer krank und mein Sohn macht Probleme im Internat …«
»Nun, dann erzählen Sie mir doch mal interessantere Dinge über Ihren Konzern«, sagt das Känguru. »Was teeren Sie von Großbauplanung Albert Teer überhaupt?«
»Äh … wir … teeren äh … die Landschaft … äh … wir … teeren alles … irgendwie«, stottert der Personalchef. »Und nicht nur das! Wir … äh … betonieren auch. Und wir …«
»Haben Sie nicht auch die Mauer um ›Das Nest‹ …«, fragt das Känguru, da weht ein Windstoß die Tür zum Vorzimmer zu, und ich kann nichts mehr verstehen.
Nach einiger Zeit aber höre ich das Känguru brüllen: »KENNEN SIE DIESEN PINGUIN?!?«
Die Antwort ist
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