Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
für mich wieder unverständlich. Eine knappe halbe Stunde später verlässt das Beuteltier das Büro.
»Und?«, frage ich im Aufzug. »Der Pinguin ist ihr neuer Controller?«
Das Känguru nickt.
Ich gebe ihm einen Zehneuroschein.
»Die fünf Cent kannste behalten«, sage ich.
»Die Firma dankt«, sagt das Känguru.
»Und wie ging das Bewerbungsgespräch zu Ende?«, frage ich.
»Ich habe dem Mann für zwölfeinhalb Meter Bücher verkauft«, sagt das Känguru.
Ich lege Wäsche zusammen und feile in meinem Kopf an meiner Dankesrede für den Deutschen Buchpreis der Ullstein Buchverlage . Ich bin schon wieder nominiert in der Kategorie »Buch mit sprechendem Tier«.
Das Känguru kommt herein.
»Ich arbeite – auf Basis meines unveröffentlichten Hauptwerkes Opportunismus und Repression – an einem neuen Traktat für das Asoziale Netzwerk«, sagt es. »Wie findest du folgende Sätze als Einleitung?«
Ich blicke vom Wäschezusammenlegen auf.
Das Känguru sagt: » Die dringlichste Frage, die wir, als Anti-Terror-Organisation, uns heute stellen müssen, lautet: Wie bringt man die Leute vom – meist bereits vorhandenen – Wissen über die Zustände zum Nichteinverstanden-Sein mit den Zuständen. Mit anderen Worten: Unsere Aufgabe ist der Sprung von der Wissens- in die Dissensgesellschaft. «
»Ich bin schon in der Dissensgesellschaft«, sage ich. »Ich bin nicht damit einverstanden, dass du immer meine Strümpfe anziehst. Deine Klauen machen da lauter Löcher rein.«
»Pentizikulös«, sagt das Känguru. »Aber die Einleitung ist toll, oder?«
»Hier!«, sage ich und halte ein paar Strümpfe hoch. »Löcher, Löcher, Löcher!« Ich mache eine kurze Pause.
»Sogar meine Plüschsocken!«, sage ich und mache wieder eine Pause. »Obwohl das bestimmt lustig ausgesehen hat.«
»Apropos Plüsch«, sagt das Känguru. »Letztens habe ich Gott gesehen. Sie steckte in einem riesengroßen Plüschhandy und verteilte Werbung für Flatrates.«
»Für alle, die nicht wissen, dass Gott nur ein Mädchen aus der von dir gegründeten Anti-Terror-Organisation namens Das Asoziale Netzwerk ist, in der es keine Hierarchien gibt und in der sich jedes Mitglied einen, natürlich bedeutungslosen, Rang oder Titel aussuchen darf, muss das eine ebenso rätselhaft-schöne wie poetisch-treffende Sentenz gewesen sein«, sage ich. »Letztens habe ich Gott gesehen. Sie steckte in einem riesengroßen Plüschhandy und verteilte Werbung für Flatrates.«
Pause.
»Wir beide sind hier allein«, sagt das Känguru. »Warum hast du das gesagt? Für wen hast du das erklärt? Wer ist ›alle‹?«
»Ich muss gestehen, dass ich neuerdings beim Sprechen schon immer den Leser im Hinterkopf habe«, sage ich.
»Den Leser?«, fragt das Känguru.
»’tschuldigung«, sage ich. »Den Leser und die Leserin.«
Pause.
»Nein, nein«, sagt das Känguru. »Ich meinte, du bildest dir bei jedem Gespräch ein, du hättest ein Publikum? Wie bei einer Sitcom?«
»Ja, das ist ein ziemlich guter Vergleich.«
Ich höre Leute lachen.
»Hörst du auch Leute lachen?«, fragt das Känguru.
Lautes Lachen.
»Ja, sage ich. »Woher wusstest du das?«
»Du lässt Pausen dafür.«
Schrilles Lachen und Zwischenapplaus.
Ich lache.
»Warum lachst du?«
»Na, wenn ich lachende Leute höre, muss ich einfach mitlachen.«
»Das ist nervig«, sagt das Känguru und seufzt. »Jedenfalls finde ich das nicht gut von Gott, dass sie sich so verkauft.«
»Bitte«, sage ich. »Keine Blasphemie. Du weißt doch, dass ich eine Schwäche für Gott habe.«
»Eine Menge Spinner haben das«, sagt das Känguru. »Dir ist schon klar, dass sie einen Freund hat? Der hat einen dieser dubiosen Handyläden, bei denen man sich immer fragt, was die unter der Theke verkaufen.«
»Ich hasse ihn.«
»Bestimmt will er, dass sie im Bett das Kostüm anlässt.«
»Hör auf.«
Das Känguru ist still.
»Hörst du tatsächlich auf?«, frage ich erstaunt.
»Nein«, sagt das Känguru. »Ich habe nur eine Pause gelassen. Für die Lacher. Wahrscheinlich nennt er sie Siri.«
»Nicht witzig.«
»Oder meinst du, er ruft immer: O Gott! O Gott!«
»Ich höre niemanden lachen!«, sage ich.
»Aber ich«, sagt das Känguru und lacht mit. »Aber ich.«
»Wie springt man eigentlich von der Wissens- in die Dissensgesellschaft?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
»Na, indem man mit den Leuten redet«, sagt das Känguru.
»Mit welchen Leuten?«, frage ich.
»Komm mit, Piggeldy«, sagt das
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