Die Kaffeemeisterin
gehen«, sagte er an seine Schwester gewandt. Nichts an seiner Mimik verriet, ob er sich der Bedeutung seiner Geste für Johanna bewusst war. »Aber sie will nicht etwa mit euch reisen, sondern mit einer eigenen Gruppe. Das kommt natürlich gar nicht infrage, dass sich die Mutter des Sultans auf eine solche Fahrt begibt!«
Er hielt Johanna die kleine Tasse hin, damit sie ihm nachschenkte.
»Wirklich nicht schlecht«, sagte er schließlich – noch immer, ohne ihr in die Augen zu schauen. »Aglaia scheint dir einiges beigebracht zu haben. Wie war noch dein Name?«
Johanna konnte sehen, wie Gül neben ihr eine Nuance blasser wurde.
Zehra lächelte ihr kurz zu.
»Yuhanissa, sie heißt Yuhanissa«, erwiderte sie an Johannas statt, um sogleich mit ihren Überredungsversuchen fortzufahren: »Die Valide Sultan langweilt sich eben, und was ist da besser, als nach Mekka zu pilgern? Außerdem bringt es deine Beamten auf Trab, wenn wir alle dort mal nach dem Rechten sehen. So faulenzen sie doch nur herum und stecken sich die Steuergelder in die eigene Tasche. Du wirst sehen, wie sich die Steuereinnahmen in den Provinzen, durch die wir reisen, in diesem Jahr verdoppeln werden.«
Mit gierigen kleinen Schlucken trank der Herrscher seine Tasse leer.
»Man könnte von Anfang an etwas mehr Zucker hinein geben«, sagte er ein wenig herablassend zu Johanna, als bräuchte er einen Schuldigen für seinen Heißhunger nach Süßem.
Er stellte seine Tasse ab und erhob sich schwerfällig.
»Aber weißt du, Bruder, wenn sie von Anfang an mehr Zucker in den Kaffee täte, dann könnte ihn außer dir niemand mehr trinken!«
Zehras ganzer Körper bebte vor Lachen, sodass ihr die Brille von der Nase zu rutschen drohte.
Der Herrscher lächelte verschämt, nickte grüßend in die Runde und zog sich zurück.
Schlagartig fiel alle Anspannung von Johanna ab. Eine tiefe Ruhe breitete sich in ihr aus, alle Angst und Schmach waren vergessen. Sie hatte es geschafft, dachte sie glücklich, sie hatte den Sultan mit ihrer Kunst des Kaffeezubereitens überzeugt! Auch, wenn sie dabei fast ihr Leben gelassen hätte – nun hatte sie ihr Ziel erreicht. Was die alte Aglaia wohl zu der ganzen Geschichte sagen würde? Sie konnte es kaum erwarten, ihr davon zu erzählen.
Ihr Blick fiel auf Gül. Die ungarische Sklavin war dabei, kleine Öfchen auf dem Balkon aufzustellen. Johanna bemerkte erst jetzt ihre hellen Augen, bei denen sich die Iris kaum vom Weiß abhob. Wie gespenstisch diese Frau aussah!
»Ja, es ist doch noch recht ungemütlich, wenn man längere Zeit hier draußen sitzt«, stellte die Sultana fest und zog sich ihren goldbestickten Seidenschal enger um die Brust. »Vor allem, wenn man nicht so an den scharfen Wind gewöhnt ist wie die Leute aus der ungarischen Steppe, nicht wahr, meine liebe Gül?«
Sie lächelte ein rätselhaftes Lächeln und wies die Sklavinnen an, Decken zu bringen.
»Allaha ısmarladık« , verabschiedete sich der Arabischlehrer so leise, als hoffte er, sich unbemerkt davonschleichen zu können.
Man konnte ihm ansehen, wie erleichtert er war, endlich gehen zu dürfen. Johanna versuchte noch, ihm ihre Dankbarkeit zu bezeugen, aber erneut wich er ihrem Blick aus. Bestimmt würde sie ihn nie wiedersehen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er noch einmal freiwillig einen Fuß in den Serail setzen würde, nach dem, was er heute mitgemacht hatte.
Doch der Unterricht von Zehras Töchtern war noch längst nicht beendet. Die Kahya Kadın, nun wieder ohne Vorhang über dem Kopf, brachte die beiden Mädchen zurück auf den Balkon.
Die Kalligrafielehrerin Hülya Hanim war bereits eingetroffen. Sie legte ihren schwarzen Schleier ab und ließ sich auf dem Platz nieder, auf dem gerade noch der Alexandriner gesessen hatte. Sie war die Ehefrau eines Meisters der Kalligrafie, dem sie immer nur assistiert hatte. Bis sie irgendwann zu der Ansicht gelangt war, dass sie genauso gut war wie ihr Mann, der Meister.
Auch Firuze, die Parfümhändlerin, hatte darauf gewartet, zur Schwester des Sultans vorgelassen zu werden. Ihr einer Fuß war verkrüppelt, und sie ging am Stock. Zwei junge Dienerinnen schleppten Körbe mit Fläschchen und kleinen Tiegeln, Seifen und wohlriechenden Kräutern heran.
Feierlich breitete Firuze ihre Ware vor Zehra aus. Als sie mit ihrem Zeremoniell fertig war, holte sie als Letztes einen versiegelten Brief aus einem ihrer Körbe hervor, den sie Johanna überreichte.
»Für mich?«
Johanna spürte, wie ihr
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